Bekannte und unbekannte Personen beantworten diese Frage
Wenn ihr ein französisches Schulbuch in die Hand kriegt, in dem von Napoleon die Rede ist, dann lest ihr über Napoleon etwas ganz Anderes als wenn ihr ein deutsches Schulbuch über Napoleon in die Hand kriegt. Die Deutschen schreiben über Napoleon, dass er Krieg gegen Deutschland geführt. In den Augen dieser Deutschen war Napoleon ein schlimmer Mensch. In den Augen der Franzosen aber war er ein ganz großer Kaiser.
Die Schriftsteller und die Zeitungen schreiben sehr verschiedene darüber. Z.B. wird in Frankreich nicht geschrieben, dass Napoleon Hamburg besetzt hat, und dass der Marschall Davout, ein Marschall von Napoleon, die Vorstädte von Hamburg niedergebrannt hat, weil er Schussfeld für seine Kanonen brauchte. Das werdet ihr in Frankreich nicht lesen. In Deutschland werdet ihr die großartige Tat des Code Napoleon, der das französische Recht in Façon gebracht hat, nicht lesen. Das wissen die Deutschen nicht.
Jeder weiß von den Nachbarn fast immer nur das Schlechte. Ihr wisst von Deutschland im Wesentlichen etwas über Hitler.
Helmut Schmidt, Altbundeskanzler
Erst einmal, was heißt Deutsche und Franzosen? Die Menschen sind sehr unterschiedlich. Die Menschen in Bayern oder in Baden-Württemberg, wo ich zu Hause bin, sind ganz anders als die Berliner oder die Menschen in Schleswig-Holstein oder in Mecklenburg. Und ein Elsässer ist anders als ein Mensch in Paris, in Marseille oder Bordeaux.
Die Franzosen lieben die intellektuellen Diskussionen, sie haben eine andere Art zu leben, so weit sie im Süden sind, sind sie ein bisschen mehr durch das Mittelmeer beeinflusst. Das Mittelmeer ist leichter, die Temperaturen sind wärmer, die Luft ist leichter, die Speisen sind leichter. Im Norden isst man mehr Kraut, im Süden mehr Gemüse, im Norden trinkt man mehr Bier und Schnaps, im Süden trinkt man mehr Wein. Die Deutschen sind vielleicht ein bisschen gründlicher, ein bisschen perfekter, ein bisschen schwerfälliger, aber es wechselt.
Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister
Ich glaube, einer der Grundunterschiede ist, dass die Franzosen auch sehr gerne genießen können. Und das zeigt sich in vielen Dingen. Ja, an einer Heiterkeit, die den Deutschen manchmal abgeht. Und deshalb sind wir vielleicht ein bisschen zu sehr preußisch. Und den Franzosen ist schon mehr ein Einfluss des Südens anzumerken. Sie legen viel mehr Wert auf gutes Essen. Mehr Stil im Leben auch.
Klaus Wowereit, Bürgermeister von Berlin
Die Franzosen können sich in der Regel besser benehmen, Deutsche sind dafür direkter und manchmal etwas ehrlicher. Ich arbeite mit Franzosen zusammen und ich muss sagen, einiges an Gewohnheiten ist sehr unterschiedlich und das macht die Arbeit manchmal sehr anstrengend.
Deutscher Passant in Berlin
Oh ja. Ich hatte viele französische Abteilungsleiter, die zu mir kamen und sagten:„Hören Sie, Herr Wagner, wir arbeiten viel und sind jeden Abend bis 20h da. Schauen Sie, unsere deutschen Kollegen gehen zwischen 18h20 und 19h nach Hause. Vielleicht können Sie uns also eine Gehaltserhöhung geben." Wenn die Franzosen um 9h zur Arbeit kommen, oder um 8h20, dann werden sie allen „Guten Tag" sagen, „Wie geht’s?" und Küsschen geben und fragen, was sich gestern Abend ereignet hat, man wird vielleicht kurz zusammen frühstücken. Die Deutschen kommen, hängen ihre Jacke auf, setzen sich an ihren Schreibtisch und beginnen zu arbeiten. Das ist keine Kritik, das ist eine Frage der Mentalität, der Arbeitsgewohnheiten, des Funktionierens. Mittags wird sich der Franzose ein bisschen mehr Zeit zum Essen nehmen. Das gehört zu unserem Leben. Man muss diskutieren, die letzten Nachrichten austauschen. Er wird mittags aufhören und um 13 Uhr vielleicht wieder anfangen zu arbeiten. Der Deutsche beginnt seine Pause auch um 12 Uhr mittags, aber er wird schon um 12 Uhr 30 wieder mit seiner Arbeit weitermachen. Und so geht es weiter. Es gibt also Unterschiede. Es ist nicht so, dass der eine besser arbeitet als der andere, aber sie haben einen unterschiedlichen Rhythmus.
Patrice Wagner, ehemaliger Leiter des KaDeWe
Die Deutschen überlegen mehr, bereiten die Sachen besser vor, und wenn alles vorbereitet ist, handeln sie schneller als die Franzosen. Wir Franzosen beginnen die Sachen und erst während wir sie tun, denken wir nach. Die Franzosen machen die Sachen mehr mit dem Herzen, während die Deutschen vielleicht mehr mit dem Gehirn funktionieren. Manchmal bringt das einige Schwierigkeiten mit sich. Aber Deutsche und Franzosen ergänzen sich sehr gut!
Thierry Prévost, ehemaliger Leiter der Galeries Lafayettes in Berlin
Das fand ich immer spannend,den Unterschied zwischen den Völkern. Ich habe überlegt, was ist denn nun eigentlich französisch und was ist deutsch. Und da habe ich angefangen mit der Sprache und gemerkt, im Französischen gibt es viel mehr Verben als im Deutschen. Z.B. würde man sagen: "Das ist ein Professor aus Deutschland". Aber auf Französisch würdest du sagen: "C'est un professeur qui vient d'Allemagne". Das ist ein komisches Volk, da müssen immer so viele Verben rein. Ich habe mich also gefragt, woher das kommt. Und dann hat mir einer gesagt: Guck mal raus, wie das mit dem Wetter ist. Und dann habe ich rausgeguckt und es stimmte. In Frankreich, vor allem auch in Südfrankreich, Toulon, Marseille, Nizza..., scheint viel mehr die Sonne und hier eben nicht. Und was hat das für Folgen? Wenn es warm ist und du rausgehen kannst, dann bist du ja viel mehr auf der Straße und dann setzt du dich in ein Café, isst Eis, trinkst eine Tasse Kaffee und fängst an, dich zu unterhalten. Das macht ja Spaß, wenn du in Südfrankreich, in Marseille oder Toulon oder Nizza auf der Straße sitzt...
In Deutschland ist es kälter und es gibt viel Regen und da sind die Menschen in den Häusern. Vielleicht ist das der Grund, warum sie im Winter soviel Musik machen. Im Dezember, Januar und Februar, wenn dasHaus geheizt ist, kannst du ja Musik machen. Und da hatteich meine Theorie: Die Franzosen sind also lustiger, weil sie auf der Straße und im Café sind, und die Deutschen sind im Winter im Hause, sie heizen, damit es warm ist, und machen Musik. Irgendetwas muss man ja machen.Und da habe ich gedacht, vielleicht ist es ganz gut, dass es eben sowohl Deutsche als auch Franzosen gibt.
Rudolf von Thadden, Historiker
Eigentlich ja. Aber es kann kleine Unterschiede geben. Man weiß, dass die Deutschen eine bestimmte Farbe,ein bestimmtes Bildformat für ihr Fernsehgerät vorziehen, während die Franzosen eine andere Farbe und ein anderes Bildformat bevorzugen. In manchen Ländern hat man die Knöpfe gerne auf der rechten Seite, in anderen auf der linken Seite, das hängt davon ab,was die Leute gerne mögen.
Serge Foucher, Vizepräsident von Sony Europe
Der Franzose hat die Rotweinflasche unter dem Arm und der Deutsche die Bierflasche unter dem Arm, ist ja ganz klar.
Deutscher Passant in Berlin
In Paris hat fast jedes Auto Kratzer oder eine Beule. Die Deutschen passen besser auf ihre Autos auf.
In Paris gibt es ganz viele Leute auf der Straße und nicht so viele Ampeln, es ist gefährlich. Die Ampeln sieht man überhaupt nicht. Die sind immer so niedrig...
Und auch die Beleuchtung ist ein Problem. Oft ist es nicht hell genug und bei den Fußgängern ist Rot und Grün nebeneinander und nicht übereinander. Und das macht es ein bisschen schwieriger. Ein Unterschied ist vielleicht auch, dass die Autofahrer in Paris nicht so aufpassen wie in Deutschland. Die sind rücksichtsloser. Man muss wirklich höllisch aufpassen, dass die einem nicht über die Füße fahren, wie es mir neulich passiert ist.
Romain Leick, Journalist für Der Spiegel