„Man muss den jungen Leuten
einfach nur zuhören“
Ein Interview mit Andrea Huber, der verantwortlichen Redakteurin für
die Schülerseite der Berliner Morgenpost.
Als Sie Kind waren, gab es schon eine Kinderseite in der Zeitung?
Nein, das gab es nicht. Ich erinnere mich nur an den Mecki-Comic in der Hörzu*. Damals haben sich die Zeitungen noch nicht so um Kinder gekümmert wie das heute üblich ist.
* Die Hörzu ist eine bekannte deutsche Programmzeitschrift, die 1946 das erste Mal erschien.Es gab auch noch kein Internet zu der Zeit.
Nein. Damals hatten aber viel mehr Familien ganz selbstverständlich mindestens eine Tageszeitung. Damit wuchsen die Kinder auf. Wenn ich heute in eine Klasse gehe und frage, wer zuhause eine Zeitung hat, dann melden sich manchmal nur ganz wenige Schüler.
Am Montag gibt es bei der Morgenpost immer die Seite „Schüler machen Zeitung“. Können sie uns etwas dazu erzählen?
„Schüler machen Zeitung“ ist ein Projekt für Grundschüler ab Klasse fünf und Oberschüler. Die Klassen, die sich anmelden, bekommen sieben Wochen lang die Zeitung direkt in die Schule geliefert und beschäftigen sich dann im Unterricht damit.
Sie lesen nicht nur die Artikel, sondern lernen auch, wie eine Zeitung entsteht, wie Journalisten ihre Artikel aussuchen und wie sie an ihre Informationen kommen. Außerdem sind sie eingeladen, selbst etwas zu schreiben. 350 Schulklassen machen pro Jahr mit, davon sind 250 Oberschulklassen ab Klasse 7 und die restlichen kommen aus den Stufen 5 und 6.
Wird die Seite nur von Kindern hergestellt?
Ja. Ich produziere sie zwar, aber die Artikel sind alle von Kindern geschrieben.
Wie ist das Projekt entstanden?
Die Tageszeitungen haben heutzutage viel Konkurrenz - nicht nur durch Fernsehen und Radio, sondern auch durch das Internet. Wir möchten mit dem Projekt Kindern und Jugendlichen zeigen, was die Tageszeitung im Unterschied zu Radio und Fernsehen leisten kann. So sollen Schüler für das Medium Tageszeitung begeistert werden. Es geht darum, dass ihr, wenn ihr erwachsen seid, Spaß am Zeitungslesen habt. Das Projekt gibt es jetzt schon seit über 10 Jahren.
Wie suchen Sie die Themen aus?
Die Themen kommen von den Schülern. Sie wissen am besten, was Kinder und Jugendliche interessiert. Die Themenvorschläge sind wirklich ganz unterschiedlich. Es geht um Kultur, Politik, Sport etc. Natürlich machen wir auch manchmal Vorschläge, z. B. ein Interview mit Culcha Candela. Die Idee, Bela B. zu interviewen, kam wiederum von einer Schülerreporterin.
Was sind die Lieblingsthemen der Kinder?
Gute Frage. Schule beschäftigt viele von euch sehr, das ist ja sozusagen euer Job. Das geht von „Es gibt zu viele Hausaufgaben“ bis zum Thema „Schulzeitverkürzung“. Was mir auch auffällt, ist, dass Schüler oft über sehr ernste und traurige Themen schreiben wie Mobbing, Magersucht oder warum sich Jugendliche nicht für Politik interessieren.
Was sind die spektakulärsten Fotos und Berichte bisher gewesen?
Generell bekommen wir nur sehr wenige Fotos von Schülerreportern. Aber es gab schon viele richtig gute Artikel. Einmal haben beispielsweise Schülerinnen einen Soldaten, der gerade aus Afghanistan zurückgekehrt war, interviewt. Das war ein sehr hartes Thema, aber sehr gut gemacht.
Drucken Sie alle Artikel ab, oder wählen Sie bestimme Artikel aus?
Ich muss eine Auswahl treffen, da uns mehr Artikel geschickt werden, als wir tatsächlich drucken können. Weil wir wissen, dass Jugendliche lieber auf eine Seite sehen, die etwas bunter ist, sollten auf der Seite immer mehrere Themen stehen. Außerdem muss man auch eine gute Mischung hinkriegen. Der eine findet Sport gut und der andere hasst Sport. Und deshalb sollte man möglichst viele Interessen bedienen.
Kann ich einfach einen Artikel schreiben und Sie veröffentlichen ihn, oder wie geht das?
Theoretisch ja. Es schicken eigentlich nur die Schüler Artikel, die auch an dem Projekt teilnehmen. Aber wenn gute Artikel von Jugendlichen kommen, die nicht am Projekt teilnehmen, dann veröffentlichen wir sie auch.
Was ist bei Ihrer Schülerseite anders als bei anderen Kinderseiten?
Im Vergleich zu unserer Beilage, der Kinderpost, ist der große Unterschied, dass die Artikel von den Schülern selbst geschrieben werden. Das ist auch der Unterschied zu Kinderseiten anderer Zeitungen. Die werden oft von Erwachsenen geschrieben.
Nehmen Sie auch manchmal Ideen von anderen Zeitschriften?
Natürlich schaut man sich an, was die anderen machen. Wir würden aber niemals von anderen abschreiben, denn das verbietet die journalistische Ehre. Man muss schon selber recherchieren, selber schreiben und seine eigenen Geschichten machen.
Was macht Ihnen Spaß an Ihrem Beruf?
Ich finde es schön zu sehen, was für Ideen die Kinder haben, dass sie so offen und neugierig sind. Ich besuche ja die Klassen und erzähle ihnen, wie die Zeitung gemacht ist und komme mit ihnen ins Gespräch. Ich frage sie, was sie sich von einer Zeitung wünschen. Man hat das Gefühl, da kommt viel an Kreativität rein. Man muss den jungen Leuten einfach nur zuhören.
Und was mögen Sie nicht so?
Es gibt manchmal, ganz selten, auch Klassen, die mich groß anschauen, wenn ich reinkomme, und ich merke, dass sie denken: „Was will die denn hier? Was will die uns erzählen?“ Diese Klassen stellen auch kaum Fragen. Ich versuche dann, das Beste daraus zu machen, und manchmal fangen die Schüler dann doch noch Feuer.
Haben Sie noch eine Frage an uns?
Ja. Wie lang geht euer Projekt noch und was habt ihr noch alles geplant?
Unser Thema zu den Medien geht über ein Jahr. Wir hatten eigentlich geplant, wenn es klappt, zum Kinderkanal nach Erfurt zu fahren.
Interview von Zoë, Clara, Alicia und Jean-Victor
Text & Fotos: © Grand méchant loup | Böser Wolf -2010 - www.boeser-wolf.schule.de
Bild von Mecki: © meckiseite.de