Das Französische Gymnasium - Bericht eines Schülers im Krieg
Das Französische Gymnasium war eine Oase und Deutschland war eine Wüste
Ein Gespräch der Bösen Wölfe mit dem Pädagogen Hartmut von Hentig. Er kam im November 1937 ans FG (= Französisches Gymnasium). Er war gerade zwölf und blieb dort bis zum Abitur...
Haben Sie unter Schülern über den Krieg gesprochen?
Nur unter Freunden. Im Krieg mussten fünf bis sechs Schüler der oberen Klassen in der Schule übernachten und Feuerwache halten. Sollten Brandbomben ins Dachgeschoss fallen, konnte man sie meist noch löschen. Wir bekamen dafür zwei Mark pro Nacht und rissen uns um diesen Posten. Wir spielten dann bis tief in die Nacht Skat und machten während des Alarms unsere Kontrollrunden. Natürlich haben wir bei solchen Gelegenheiten über den Krieg geredet – welchen Verlauf er nahm und ob wir noch eingezogen werden würden.
Was haben Sie als Kind von der Nazi-Diktatur mitbekommen?
Ich hatte das Glück, einen Vater zu haben, der sich in politischen Dingen auskannte. Er wusste, dass die Nazis Dummköpfe waren und was für Barbaren! Am 1. September 1939 kam er etwas später nach Hause. Wir saßen am Mittagstisch, und er schwieg, was er sonst nie tat. Er löffelte seine Suppe und sagte – ich höre noch den Löffel auf den Tellerrand fallen, so klick – und sagte: „Es kann uns nichts Schlimmeres passieren, als dass wir diesen Krieg gewinnen.“ Dann stand er auf und ging hinaus. Mit diesem Bewusstsein habe ich den ganzen Krieg durchlebt.
War Ihnen eigentlich bekannt, was mit Juden damals passierte?
Ja. Mein Vater arbeitete im Auswärtigen Amt. Er bekam jeden Tag einen ganzen Stapel Auslandsnachrichten, die er „von Dienst wegen“ lesen musste. Er nahm diesen meist mit nach Hause und legte sie auf seinen Schreibtisch, wo ich meine Schularbeiten machte. Ich bin überzeugt, es war seine Erwartung, dass ich diese Nachrichten lese. So wusste ich Bescheid und er konnte mit mir darüber reden.
Waren auch Juden in Ihrer Klasse?
Ja, bis 1938 doch sehr viele. Ich habe hier ein Foto unserer Klasse im Jahr 1935 mit einer Liste der Namen. Ihr könnt zählen, wie viele es waren. Acht Juden und ein "Halbjude". Ich habe sie nicht mehr alle gekannt. Etliche von ihnen sind in der Zeit, bis ich 1937 dazukam, schon ins Ausland gegangen.
Wie war es, im Krieg zur Schule zu gehen?
Ihr werdet lachen: Es war schön! „Draußen“ bestand das Leben aus Anstehen, nächtlichem Bombenhagel, Luftschutzkellermief, als Hitlerjunge auf den Straßen marschieren und laute Lieder singen und so weiter. Wer siebzehn war, wurde zum Arbeitsdienst eingezogen, und mit achtzehn kam man zum Militär. Nur die Jüngeren und die Mädchen und die Halbjuden – wir überlebten sozusagen. Und wir fühlten uns in der Schule wohl und geborgen. Nicht das ständige Gedröhn, die Hass- und Siegesreden, die aus Lautsprechern auf öffentlichen Plätzen kamen.
Sind Schulkameraden von Ihnen gefallen?
Ja. Zunächst einmal in den Klassen über uns. Der erste hieß Volker Niemeyer. Sein Tod ist mir besonders nahegegangen. Wir Kleinen kamen mit den Großen im Ruderclub des FG zusammen. Die Kleinen, die Leichtgewichte, steuerten und die Großen ruderten. Hierbei wurde Volker Niemeyer mein Freund. Er fiel in der allerersten Kriegszeit.
Das Gesamtinterview über das Französische Gymnasium in Berlin
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