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Eine schwierige, aber auch eine sehr schöne Aufgabe
Interview mit Richard von Weizsäcker

Ein Gespräch der Kinderreporter des Bösen Wolfes mit Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker, über seine Reisen, die bekannte Rede, die er am 8. Mai 1945 - 40 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges - gehalten hat und natürlich über sein Lieblingstier und seine Lieblingserfindung - alles war ganz lustig !


Kindheit Richard von Weizsäcker >>>

Als Bundespräsident >>>

Als Bürgermeister von Berlin >>>

Alltag und mehr >>>

 

Guten Tag, Herr Bundespräsident, ich heiße Manon und bin 10 Jahre alt. Ich heiße Alina. Ich heiße Johannes und ich David.

Guten Tag, ich heiße Richard, das gibt es auch auf Französisch. Also willkommen, und ihr wollt Fragen stellen?

      Richard von Weizsäcker mit den Bösen Wölfen


Die Kindheit von Richard von Weizsäcker


Waren Sie ein guter Schüler?
Das wechselte sehr. Also, mein erstes Schuljahr habe ich in Kopenhagen, in Dänemark verlebt. Dort habe ich Lesen und Schreiben gelernt. Damals konnte ich Dänisch so gut wie Deutsch und habe es inzwischen vollkommen vergessen. Französisch habe ich in meinem Leben dreimal gelernt und dreimal vergessen. Als Kind war ich in der Schweiz in der Schule, in Bern, unser Klassenlehrer sprach mit uns immer Französisch. Ich erinnere mich noch, er kam in die Klasse hinein und sein erster Satz an uns alle war: « Je vous ferai tous tomber! » Ist doch gemein. Er war aber sehr nett und wir sind nicht alle „tombiert“ (durchgefallen).


Was war Ihr Lieblingsfach?
Meine Lieblingsfächer waren eigentlich immer Geschichte und Geographie. Ich habe einen älteren Bruder, der war sehr gut in Mathematik; das bin ich gar nicht. Ich habe immer von dem guten Ruf meines Bruders profitiert. Aber ich konnte Geschichte und Geographie besser als er. Und Musik. Ich spielte Geige. Wir hatten im Schulorchester zu viele Geigenspieler und zu wenig Blechbläser, also Trompete, Posaune usw. Deshalb musste ich Trompete spielen lernen, zum Entsetzen meiner Familie, denn dann habe ich zu Hause immer trompetet. Ich habe sie alle gestört.


Was wollten Sie werden, als Sie ein Kind waren?
Ich habe in Wirklichkeit, als ich schon fast 30 Jahre alt war, noch nicht ganz genau gewusst, welchen Beruf ich wirklich ergreifen wollte. Und heute bin ich mehr dadurch bekannt geworden, dass ich Politiker wurde. Das bin ich erst im Alter von 49 Jahren geworden.


Richard von Weizsäcker: Bundespräsident, als es zwei deutsche Staaten gab

 

Sie sind Bundespräsident gewesen. Haben Sie sich gefreut, als Sie es geworden sind?
Ja, das darf man doch. Ich war vorher Bürgermeister, Maire de Berlin. C’était très intéressant aussi et très difficile. Aber dann wurde ich Präsident und das hat mich gefreut.


Zu welcher Zeit war es schwieriger Bundespräsident zu sein, zu Ihrer Zeit oder heute?
Eine sehr interessante Frage. Manchmal neige ich dazu zu sagen, es ist heute schwerer als damals, aber wenn meine Frau das hört, dann ist sie nicht zufrieden. Sie sagt immer: „Zu deiner Zeit war das schwerer.“ Deutschland war ja lange geteilt, es gab zwei deutsche Staaten, und wir haben immer gehofft, dass es wieder zusammenwächst und dass man es wieder vereinigen kann. Dieser Zeitraum, in dem zuerst die beiden Staaten noch getrennt waren und dann zusammenwachsen konnten, das war gerade die Zeit, in der ich Präsident war und das war natürlich eine schwierige Aufgabe, aber auch eine sehr schöne. Ich bin sehr dankbar, dass ich das als Präsident miterleben konnte.


Was haben Sie am liebsten getan als Präsident?
Am tiefsten in Erinnerung habe ich die Reisen, die ich zu machen hatte. Man macht als Präsident immer so genannte Staatsbesuche. Und nun gibt es um die 180 selbständigen Nationen auf der Welt. Ich bin nicht in allen gewesen, aber doch in ungefähr 60 Staaten. Reisen in andere Länder habe ich immer ungeheuer interessant gefunden.


Welche Länder waren denn am interessantesten?
Landschaftlich waren vielleicht am schönsten die Reisen in Lateinamerika, in Ecuador und in Bolivien. Bolivien kennt ihr? Der Flugplatz von La Paz liegt 4000 m hoch, die Stadt selber liegt etwas tiefer, so 3500 m. Da steigt man aus dem Flugzeug aus und dann steht da eine Ehrenkompanie von Soldaten und man muss dann entlang marschieren und sie grüßen. Das ist gar nicht so leicht, aus dem Flugzeug auf 4000 m Höhe auszusteigen und noch Luft zu kriegen, wenn man es nicht gewohnt ist. Dann gab es eine schöne Reise, an die ich mich auch deutlich erinnere, nach Mali in Afrika.


Sind Sie auch innerhalb Europas gereist?
Ja, aber einige der europäischen Länder habe ich schon vorher gekannt. Meine erste Reise als Präsident habe ich übrigens nach Frankreich gemacht.



Eine bekannte Rede von Richard von Weizsäcker: die Rede vom 8. Mai 1985

Mussten Sie viele Reden halten?
Ja. Ich habe hier eine sehr lustige Erinnerung. Als ich meinen Besuch damals machte, war Laurent Fabius Ministerpräsident. Er lud mich zum Mittagessen ein und es war eine große Anzahl von Gästen da. Wir saßen nebeneinander und führten eine Unterhaltung, die für mich sehr interessant war. Nach dem Nachtisch sollten wir unsere Reden vor den vielen Gästen halten. Da zog der Ministerpräsident Fabius seine Rede aus der Tasche. „Hier ist meine Rede. Sie können sie gerne lesen, aber es ist nicht nötig. Sie haben wahrscheinlich auch eine Rede in der Tasche, aber wir haben uns doch schon gut unterhalten, das reicht. Also stecken wir die Reden weg und halten sie überhaupt nicht.“ Das habe ich noch nicht wieder erlebt.


War die Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985 die wichtigste Rede für Sie? Ich bin nämlich an einem 8. Mai geboren.
Das war ein sehr wichtiger Tag, und da habe ich eine Rede gehalten. Das stimmt. Sie ist auch ganz viel gehört worden oder genauer gesagt, sie ist auch ganz viel gedruckt worden. Auch im Ausland ist sie ganz viel gedruckt worden. Aber das freut mich, dass du am 8. Mai geboren bist. Ein schöner Tag.


Bundespräsident gleich nicht Staatspräsident in Frankreich

Was mochten Sie am wenigsten als Präsident?
Wahrscheinlich mochte ich immer am wenigsten, wenn ich mich in einer Unterhaltung befand, die ich nicht richtig verstand. Manche sprechen so ein komisches Englisch. Dann soll man vernünftige Antworten geben und hat gar nicht die Frage verstanden.


Fiel es Ihnen schwer, nicht mehr Präsident zu sein?
Nein, das hat auch große Vorteile. Also ein Präsident hat viel zu tun und das, was er tun muss, kann er nicht so ganz frei selber entscheiden. Und wenn man nicht mehr Präsident ist, hat man natürlich viel größere Möglichkeiten auszuwählen, was man machen will.


Ist eigentlich ein Bundespräsident das gleiche wie ein Präsident in Frankreich?
Nicht ganz, nein. Der Präsident in Frankreich hat sehr starke - wie wir das nennen - exekutive Befugnisse.


Was sind Befugnisse?
Rechte, Möglichkeiten also. Der Präsident in Frankreich ist der Oberbefehlshaber der französischen Armee und Flotte, der Streitkräfte also. Der französische Präsident ist außerdem der bestimmende Mann in der Außenpolitik. Das ist in Deutschland nicht so weit ausgebildet, d.h. der deutsche Präsident hat weniger Befugnisse als der französische Präsident.


Richard von Weizsäcker Bürgermeister von Berlin


Sie waren Bürgermeister von Berlin. Wie war Berlin, als Sie Regierender Bürgermeister waren?
Die Stadt war geteilt. Es gab Westberlin und Ostberlin. Und Ostberlin war die Hauptstadt der so genannten DDR, der Deutschen Demokratischen Republik. Westberlin gehörte zur Bundesrepublik, damals war aber noch Bonn die Hauptstadt. Und wegen der Teilung war es für die Menschen, die hier lebten, schwierig, denn mitten in der Stadt hatten die Leute eine Mauer aufgebaut, über die man nicht rüberklettern durfte.
Wenn einer in den anderen Teil der Stadt wollte, brauchte er dazu eine Genehmigung. Es war eine ganz unmenschliche Angelegenheit, weil doch Familienverbindungen und Freundschaften durch diese Mauer unterbrochen waren. Als Bürgermeister musste man sich immer darum bemühen, dass diese Mauerteilung von Berlin für die Menschen einigermaßen erträglich wird oder bleibt. Es war sehr schwierig, aber für mich eine außerordentlich lehrreiche und sehr wichtige Zeit.



Was waren für Sie die größten Unterschiede zwischen Bürgermeister und Präsident?
Na ja, als Bürgermeister ist man in erster Linie verantwortlich für die Stadt und das, was man sagt, wird in erster Linie hier gehört und nicht im ganzen Land. Und wenn man einen Fehler macht, dann wirkt sich das nur für die Stadt aus, hingegen als Präsident für das ganze Land. Wenn man also einen Einfluss auf die Politik und die Lösung der Probleme nehmen will, hat man natürlich als Präsident einen weiteren, größeren Einfluss.


Wären Sie lieber Bürgermeister geblieben?
Nein. Ich meine, ich habe mich nicht darum beworben, Präsident zu werden. Aber wenn man gefragt wird, ob man es werden oder dafür kandidieren will, dann kann man vernünftigerweise nicht nein sagen.

Lieblingserfindung und Lieblingstier von Richard von Weizsäcker (und viel mehr)


Wann stehen Sie auf und wann gehen Sie schlafen?
Sehr verschieden. Schlafen gehe ich meistens um 11 Uhr. Und aufstehen tue ich wahrscheinlich später als ihr. Also ungern vor sieben. Wann steht ihr denn auf?


Also wenn ich um 8 anfange, muss ich um halb sieben aufstehen. Und ich lese gern vor dem Aufstehen im Bett.

Weil dir das Freude macht? Also ich habe, als ich ungefähr 10, 11 oder 12 war, mal in Berlin gewohnt, bei irgendwelchen Freunden oder Bekannten meiner Eltern. Da hatte ich einen kleinen Lautsprecher, der am Radio angeschlossen war. Dann habe ich immer heimlich Licht ausgemacht und immer Sportnachrichten angehört. „ Ici Radio Luxembourg, vous allez entendre le reportage sur le Tour de France cycliste. “ Aber das hat aufgehört. Das mache ich nicht mehr.


Welche Eigenschaften können Sie bei einem Menschen nicht leiden?
Wenn er unehrlich ist, wenn er das Gegenteil von dem sagt, was er denkt. Das finde ich sehr unsympathisch. Man kann mit anderen Menschen auch mal streiten, verschiedene Meinungen haben. Aber die Leute sollten doch nach Möglichkeit ihre Meinung sagen und nicht das Gegenteil von dem. Nur merkt man das natürlich keineswegs immer.


Was ist Ihre Lieblingserfindung?
Von all den Erfindungen, die in Deutschland und Frankreich gemacht worden sind, finde ich den Heißluftballon, die Montgolfière, besonders sympathisch. Noch ganz ohne Mechanik und Elektronik auskommend, hat sie das Flugzeitalter vorweggenommen und den Menschen des 18. Jahrhunderts einen Blick aus völlig neuer Perspektive auf die bekannte Welt ermöglicht.


Mögen Sie Tiere?
Mein Lieblingstier ist ein Adler. In den Alpen gibt es wunderbare Steinadler und die habe ich immer hinreißend schön gefunden, wenn man sie fliegen sieht. Tiere mag ich sehr gern. Ich habe mal einen kleinen Rauhaardackel bekommen. Der Stammvater dieses Dackels hieß Enno. Daraufhin wurde die nächste Generation – nach E kommt F – Fenno genannt und die nächste Generation hieß Genno usw. Dann kam also unsere Dackelgeneration, der Name sollte mit T anfangen. Tenno ist aber der Titel des japanischen Kaisers. Wir können nicht auf der Straße mit einem Dackel spazieren gehen und immer Widmung von Richard von Weizsäckersagen: „Tenno komm her!“ Darauf haben wir die Erlaubnis bekommen, ihn doch Senno zu nennen. Einmal ist er bei uns im Garten einem Kaninchen nachgerannt. Also, so eine ziemlich große Hasenmutter. Der Hund lief immer hinter dem Hasen her und der lief weg, der hatte Angst. Schließlich hatte er so viel Angst, dass er sich umdrehte und plötzlich gegen den Senno Front machte. Da hat Senno, dieser Feigling, seinerseits kehrt gemacht, seinen Schwanz eingekniffen und ist geflohen. Mein Dackel war kein Loup und mein Dackel war überhaupt nicht méchant. Wir auch nicht. Und wer hat den Namen Grand méchant loup erfunden?


Wölfe, die leben in Rudeln und halten zusammen, und darum wollten wir so heißen.

Grand méchant loup finde ich einen herrlichen Titel. Ihr seid die ersten Wölfe, denen ich in meinem Leben begegnet bin.

   Widmung von Richard von Weizsäcker


Das Interview mit dem Freund von Richard von Weizsäcker lesen, Altbundeskanzler Helmut Schmidt >

Interview : Alina, David, Johannes, Manon (Schülerredaktion Grand méchant loup)
Dessins : Alica, Alina, Alexander, Ulysse
Textes, dessins et photos : © Grand méchant loup | Böser Wolf, September 2005