Das Wichtige ist, dass alle gut sehen können,
das ist das A und O.
Ein Interview mit den Architektinnen Elisabeth Menne und Lena Brögger
Die Architektin Elisabeth Menne leitete den Bau des Moses Mabhida Stadions in Durban, das für die WM errichtet wurde, und in dem das erste WM-Spiel der Deutschen stattfand.
Sie und die Architektin Lena Brögger erzählen den Kinderreportern des Bösen Wolfes, woran man alles denken muss, wenn man ein Stadion baut.
War das ein besonderes Gefühl für Sie, als die deutsche Elf beim Spielauftakt in dem Stadion von Durban gespielt und gewonnen hat?
Elisabeth Menne: Ja, es war ein besonderes Gefühl - ich war sehr ergriffen und auch stolz! Eine Kollegin, die im Stadion in Durban war, hat berichtet, wie beeindruckend es war! Übrigens scheint das Dröhnen der Vuvuzelas im Stadion, wenn man dabei ist, nicht so nervig zu sein. Ohrstöpsel sind aber von Vorteil.
Muss man sich für Fußball interessieren, um ein Stadion zu bauen?
Nein, Fußball bedeutete mir nichts, bevor ich ein Stadion geplant hatte. Aber das verändert sich: man interessiert sich schnell, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt.
Warum wurdet ihr beauftragt und nicht ein Büro aus Südafrika?
Lena Brögger: Nicht jeder Architekt baut Stadien. Dafür braucht man ein spezielles Wissen. Und weil unser Büro für die WM 2006 in Deutschland viele Stadien gebaut hat, haben wir dieses Wissen. Wichtig ist: Wenn man ein Stadion für eine Weltmeisterschaft baut, muss man immer pünktlich fertig werden.
Worauf muss man achten, wenn man ein Stadion baut?
Das Wichtige ist, dass alle gut sehen können. Das ist das A und O.
Je steiler die Ränge sind, wo die Sitze drauf befestigt sind, um so besser kann man sehen.
Die Zuschauer: Bei einem Spiel sind sehr viele Menschen unterwegs. Man muss darauf achten, dass die Straßen nicht verstopft sind, damit es kein Chaos gibt. Man muss öffentliche Verkehrsmittel einrichten, also Buslinien oder vielleicht auch eine Bahn.
Dann muss man sehen, dass alle Besucher den Eingang einfach finden. Deshalb muss die Polizei da sein, damit die Menschen sich nicht auf die Füße treten. Man braucht auch eine Ausstattung für die Zuschauer, damit sie zum Klo gehen oder ihre Wurst oder ihr Bier holen können.
Die VIPs: Wenn ein Stadion 70 000 Plätze hat, wird ungefähr ein Zehntel, also um die 6 000 Plätze, für spezielle Gäste geplant - die anderen Zuschauer sind die normalen Besucher. Für die VIPs (very important person) muss man hochwertige Plätze haben, sie sind nicht nur von den Sitzen her besser – sie haben besseres Polster –, sondern sie haben auch ein Restaurant, also einen Bereich, wo sie mit Essen und Trinken versorgt werden und haben Parkplätze, in dem Fall Tiefgaragen.
Sogar VVIPs, sie haben ganz getrennte Wege. Sie kommen direkt in ihre Loge, sie treffen nicht auf die anderen Besucher.
Die Spieler: Dann ist natürlich eine Gruppe ganz wichtig: die Spieler. Sie bekommen ihre Umkleideräume, und sind nach Teams getrennt. Je nach Größe des Stadions gibt es mindestens zwei Umkleidebereiche mit Duschen, WCs und Whirlpools, wo die Spieler sich nach anstrengenden Spielen ins Wasser werfen können.
Die Schiedsrichter und Staff: Es gibt Räumlichkeiten für den Schiedsrichter oder auch für die Doping-Kontrolle, für den Arzt, der Blut und Urin untersucht. Also für ganz viele Abläufe gibt es Räume.
Das Dach: Für die WM-Stadien müssen die Sitzplätze überdacht sein. Wenn es kein Dach gibt, muss es nachgebaut werden. Dabei ist die Höhe wichtig, das Dach darf nicht zu niedrig sein, aber auch nicht zu hoch.
Die Beleuchtung: Man kann unter dem Dach eine Leuchtenreihe anbringen, die strahlt dann auf das Spielfeld. Diese besondere Beleuchtung gibt ein besseres Licht, ist aber auch viel teurer.
Bei normalen Stadien gibt es vier riesige hohe Masten. Sie strahlen unten auf das Spielfeld. Sie sind sehr hoch, damit die Spieler nicht geblendet werden.
Ihr könnt darauf achten, im Fernsehen, wenn ein Spieler läuft, hat er meistens vier Schatten, weil das Licht von vier Seiten kommt.
Besonderheiten:
Die Sitze sind alle bunt, so dass man von Weitem nicht sieht, ob alles voll ist oder nicht. Wenn alles grau wäre, würde es viel mehr auffallen.
Man braucht auch Klappstühle, wie im Kino. Es ist immer besser, denn im Notfall müssen die Leute rausgehen können.
Was ist das für ein Gefühl, wenn man weiß, dass man ein Stadion baut?
Das ist aufregend.
Ich war jetzt am Montag im Stadion von Durban, es ist fertig, sauber und geputzt, der Rasen wird gemäht. Wenn man weiß, dass man es mit entworfen hat, ist das schon ein ganz tolles Gefühl.
Und wenn man zum ersten Mal auf der Baustelle ist,
dann ist man sehr beeindruckt, wie groß es tatsächlich ist. Man hat es vorher nur aus den Zeichnungen gekannt...
Wie viele Architekten arbeiten an so einem Projekt?
Es sind nicht nur Architekten: Du brauchst Planer für die Wege, für die Technik (z.B. für Lüftung und Wasser für die WCs), für die Elektrik, für die Beleuchtung, für die Berechnung des Bogens, für die Schilder (damit man weiß, wo man langlaufen muss). Es gibt also 5 bis 6 große Kategorien und in der Hauptphase arbeiten an die 100 Leute an der Planung.
Baut man ein Stadion anders in Südafrika als in Deutschland?
Ja, die Art der Ausführung ist anders. Beton, Stahl und Holz sind ähnlich wie bei uns. Es gibt aber andere Materialien, die für Südafrikaner schwer zu bekommen sind, weil sie Zoll bezahlen müssen, z. B. Leuchten aus Europa.
Werden dort besondere Steine benutzt?
Ja, es gibt dort "cobbles", das sind kleine gebrannte Ziegelsteine und
sie werden gerne benutzt.
Wie lange braucht man, um ein Stadion zu bauen?
Dreieinhalb Jahre. Das Stadion in Durban haben wir im Juni 2006 angefangen.
Wie viele Zuschauer passen da hinein?
Durban ist ein großes Stadion, da gehen 72.000 Zuschauer hinein. Die Normalgröße ist 40 bis 50.000. Kapstadt ist mit 68.000 Plätzen ein bisschen kleiner und Port Elisabeth ist das kleinste mit
48.000 Plätzen.
Kostet die Herstellung eines Stadions sehr viel Geld?
Ja. Andererseits ist ein Stadion wie Durban vom Ausbau her nicht teuer, man braucht keine große Ausstattung. Man braucht die Sitzplätze, die Kioske, die Toiletten, und nur in den VIP-Bereichen gibt es einen Ausbau, wie ihr das von zu Hause kennt. Also Farbe, Teppichboden, besondere Leuchten und Möbel. In den anderen Bereichen ist es einfacher. Es gibt nur eine Betondecke oder eine Betonwand und einfache Leuchten.
Dann ist das billig!
Es ist trotzdem teuer, weil es so groß ist und weil es ein Markenzeichen für den Ort ist. Durban ist jetzt ein sehr schönes Beispiel dafür. Jeder, der das Stadion mit diesem gespreizten Bogen sieht, der weiß, das ist in Durban. Und damit verbindet man das Stadion mit dem Ort. So wie man Paris mit dem Eiffelturm verbindet.
Was ist das Besondere an dem Bogen von Durban?
Das Land Südafrika mit seinen verschiedenen Völkern und Kulturen und seiner Vielfalt kommt hier zusammen. Der Bogen hat also eine symbolische Bedeutung. Und wenn man es von oben sieht, sieht es wie ein Ypsilon aus und erinnert an die südafrikanische Flagge.
Wisst ihr, dass man auf den Bogen mit einer Seilbahn hochfahren kann?
Cool...
Es gibt kein anderes Stadion, das so eine Attraktion hat. Es gibt sogar eine Art Bungee Springen, wo man am Seil hinunter springen kann und es swingt sich wieder zurück. Man weiß jetzt, das ist das Stadion mit der Seilbahn und mit dem Swing, und damit kennt man die Stadt.
Kann man auch zu Fuß hoch?
Auf der einen Seite, wo der Bogen einfach ist, fährt die Seilbahn hoch, und auf der anderen Seite kann man zu Fuß hochlaufen. Das ist der sogenannte Abenteuerweg.
Sind die Arbeiter und Handwerker aus Südafrika?
Ja, das war ganz wichtig, sonst gibt es immer das Problem, dass die Europäer in den sogenannten Drittweltländern sehr besserwisserisch auftreten. Wir haben die Südafrikaner zwar unterstützt, aber es ist ihre eigene Leistung. Deshalb kommen alle Handwerker aus Südafrika.
Ja, es war auch ganz wichtig, dass der Bau Arbeitsplätze schafft. Und dass die Handwerker etwas gelernt haben, was sie vorher nicht konnten.
Was wird dann mit den Stadien gemacht, wenn die WM vorbei ist? Werden sie abgebaut?
Das ist eine ganz wichtige Frage. Also multifunktionale Stadien wie in Durban oder in Berlin kann man später besser nutzen. In Berlin z. B. für die Leichtathletik-WM oder für die Kirchentage oder große Veranstaltungen. Ein Stadion bringt an sich nie Gewinne. Man muss immer sehen, dass man die Unkosten deckt. Strom, Wasser, Hausmeister... kosten immer etwas. Wenn man das schafft, ist es gut.
Interview: Coralie, Clara und Alice
© Grand méchant loup - Juni 2010 | www.boeser-wolf.schule.de
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