Die wirklich mutigen Leute, das sind die

ortsansässigen Journalisten

Eine Begegnung mit Hervé Deguine von Reporter ohne Grenzen

 

 

Reporter ohne Grenzen (ROG), was ist das genau?

Das ist eine Organisation, die sich für die Verteidigung der Pressefreiheit einsetzt. Ihre Aufgabe ist es, Journalisten überall auf der Welt, wo sie in Gefahr sind, zu helfen und die Medien bei ihrer Berichterstattung zu unterstützen.

Seit wann existiert die Organisation?

Die Vereinigung wurde 1985 von Robert Ménard gegründet. Ihr Hauptsitz ist in Paris, aber es gibt auch Büros in Deutschland, Spanien, Italien, Schweden, in der Schweiz, in den USA und Japan...

Und in China?

Nein. In China sind wir nicht gerne gesehen . Wir werden dort  nicht gut aufgenommen.

Das Logo mit den Olympischen Ringen in Form von Handschellen stammt von Reportern ohne Grenzen?

Ja, ganz genau. Das Logo entstand 2001, aber niemand interessierte sich dafür. 2008 haben wir es dann auf T-Shirts gedruckt und plötzlich wurde daraus das offizielle Logo. Wir haben 80.000 T-Shirts in 3 Wochen verkauft. Das hat Reporter ohne Grenzen viel Geld eingebracht, welches in die Durchführung von Aktionen gesteckt wurde. Das zeigt, dass eine gute Idee zu haben allein nicht reicht, man muss sie auch im richtigen Moment haben.

 

 Die Pressefreiheit 


Warum ist Pressefreiheit so wichtig?

Das kann ich dir ganz einfach beantworten. Stell dir vor: dein Geburtstag steht vor der Tür und du wünschst dir Bücher. Man bietet dir aber nur zwei verschiedene an. Du hast zwar eine Auswahl, aber nur eine sehr begrenzte. Mit der Presse ist es genauso. Wenn du nur eine oder zwei von der Regierung angebotene Informationsquellen hast, wie willst du dann entscheiden, was richtig und was falsch ist, was funktioniert oder was nicht?

Wir brauchen eine freie Berichterstattung, um zu verstehen, was passiert. Das ist unentbehrlich für eine Demokratie, denn wenn es keine Streitgespräche gibt, dann gibt es auch keine Auswahlmöglichkeiten. Deshalb werden Zeitungen und Medien in einer Diktatur als Erstes verboten.

Was würde passieren, wenn die Pressefreiheit nicht mehr gewährleistet wäre?

Selbst in Frankreich und in Deutschland gibt es Probleme mit der Pressefreiheit. Kein Journalist wird hier ermordet, aber in Frankreich beispielsweise gibt es Probleme mit dem Schutz der Quellen.  Grundsätzlich sagen Journalisten nicht, wer ihnen ihre Informationen gegeben hat.

 

 

Die Quellen, das sind die Presseagenturen, oder?

Die Presseagenturen sind die bekannten Quellen. Ich rede eher von Zeugen. Jemand, der zum Beispiel bei einer Regierungssitzung dabei ist, erfährt dort wichtige Dinge. Dann gibt er die Informationen an einen Journalisten weiter, der diese verwendet.

Ohne seinen Namen preiszugeben?

Ja, genau. Oft sind es die Machtinhaber - der Premier- Minister oder der Kanzler -, die vor Gericht Klage erheben. Man verlangt vom Journalisten, dass er sagt, woher er die Informationen hat.

Wusstest du schon?
Presse- und Meinungsfreiheit sind Menschenrechte, das heißt sie stehen jedem Mensch unahängig seiner Nationalität, seiner Religion oder seines Geschlechts zu. Meinungsfreiheit bedeutet, dass jeder das Recht hat seine Meinung frei zu sagen und zu verbreiten, also zum Beispiel über ein beliebiges Thema ein Buch zu schreiben und zu veröffentlichen. Auch die Presse und die Medien dürfen, ohne dass der Staat oder jemand anderes darüber bestimmt, berichten. Beide Rechte spielen in einer Demokratie eine wichtige Rolle, denn nur so können wir uns eine unabhängige Meinung bilden zum Beispiel über Politik . Damit haben die Medien eine große Verantwortung wie Hervé Deguine uns im Interview erklärt: „Man kann auch enormes Leid und Schaden anrichten, wenn man Unsinn schreibt. Die Verantwortung der Journalisten ist also sehr groß. Es ist berechtigt, gegen Journalisten, die zu Rassenhass oder Religionskrieg aufrufen, gerichtlich vorzugehen.“

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 Schutz der Journalisten 

Wie schützen Sie Journalisten im Ausland?

Der erste und wichtigste Punkt ist zu wissen, was vor Ort passiert. Wir haben ein weltweites Netzwerk, dass Informationen sammelt, vor Ort geht und die Leute trifft. Denn man kann niemanden beschützen, dessen Geschichte man nicht kennt.

Zweitens schicken wir Pressemitteilungen, Protestschreiben heraus und führen Telefonate mit der verantwortlichen Regierung. Wir sagen: Wir wissen, was passiert ist. Lassen Sie die Person frei, leiten Sie eine Untersuchung ein!

Und wenn das alles nichts hilft, machen wir weitere Aktionen.

Und helfen Sie allen Journalisten?

Selbstverständlich. Wir berücksichtigen weder Nationalität noch Rasse noch Alter oder Religion. Wir helfen jedem Menschen, der zur Pressefreiheit beiträgt. Wenn zum Beispiel ein Zeitungsverkäufer niedergeschlagen wird, weil er in Afrika eine Zeitung verkauft, die der Regierung nicht gefällt, dann verteidigen wir auch ihn.

Muss man mutig sein, um das zu machen, was Sie machen?

Viele von uns sind schon aus unterschiedlichen Ländern ausgewiesen worden: aus Tunesien, Togo, Gabun, China, Kuba... Aber das ist nicht sehr gefährlich. Entweder darf man in das Land nicht hinein oder man wird gleich festgenommen und mit dem nächsten Flugzeug zurückgeschickt.

Es gibt hingegen auch sehr gefährliche Länder. Die wirklich mutigen Personen, das sind die dort ortsansässigen Journalisten, die in ihrem Land mit ihrer Familie leben und nicht weg können. Man greift die Person nicht direkt an, da diese geschützt wird. Aber man kann dessen Frau kündigen oder das Geschäft des Nachbarn verwüsten und plündern. Das schafft eine sehr schwierige Situation.

 

 Verschiedene Sprachen sprechen 

Könnten wir hier eines Tages ein Praktikum machen? 

Ja, aber man braucht hier kein Deutsch. Jeder hier spricht Englisch. Wir benötigen Leute, die Chinesisch, Russisch, Persisch, Arabisch können - diese benötigen wir besonders - Spanisch natürlich und eventuell Hebräisch. Das sind die gefragtesten Sprachen.

Und Sie, welche Sprachen sprechen Sie?

Ich spreche Englisch, wie jeder hier in Paris und dann ein bisschen Deutsch, ein bisschen Spanisch, ein bisschen Italienisch, ein bisschen Chinesisch. Ich habe sogar ein bisschen Arabisch und Vietnamesisch gelernt. Für alle Fälle.

Und ist das nützlich?

Es ist nützlich und selbst, wenn man die Sprache nicht gut spricht, ist es wichtig, einige Grundkenntnisse zu haben. Bei unserem Beruf muss man sich oft im Alltag durchbeißen, weil wir in vielen Ländern nicht willkommen geheißen werden.

Und zweitens gewinnt man so das Vertrauen der Gesprächspartner. Es zeigt ihnen, dass man sich für ihr Land interessiert und ihre Kultur respektiert. So reden sie leichter.

Werden viele Journalisten ausgezeichnet?

Wir haben einen ganzen Flur mit Fotos der Journalisten, die sich durch ihren Einsatz für die Pressefreiheit ausgezeichnet haben. Wir haben ihnen einen Preis verliehen, um sie in ihrem Land zu unterstützen. Und falls sie bedroht werden, wird es heißen: „Dieser Journalist hat für Reporter ohne Grenzen geschrieben. Wir können ihm nichts antun.“ 

 

Reporter ohne Grenzen haben auch ein Büro in Deutschland,

Brückenstraße 4, in 10179 Berlin.

Mehr Informationen dazu:
Tel: 30/202 15 10 - 0
Fax: 30/ 202 15 10 - 29
E-mail: kontakt@reporter-ohne-grenzen.de
Web: www.reporter-ohne-grenzen.de

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Interview von Anastasia und David

Foto Handschellen: © RSF

© Text und andere Fotos: Böser Wolf, www.boeser-wolf.schule.de