Fotos: Grand méchant loup | Böser Wolf


Treffen mit Fußballtrainer Bojan Prasnikar

 

FREITAG, 30. MAI 2008

 

Kurz vor dem Start der EM 2008 haben wir mit dem Trainer der europäischsten Mannschaft der Bundesliga gesprochen. Am 10. Mai sicherte sich die Fußballmanschaft von Energie Cottbus den Klassenerhalt in der Ersten Bundesliga. Für manche mag es nicht viel bedeuten, doch für Fußballkenner war es eine kleine Sensation. Der Trainer wurde von den Spielern mit Champagner begossen und die Mannschaft feierte „drei Tage lang und darum haben wir das nächste Spiel verloren“, verriet uns später Bojan Prasnikar, der Trainer der Mannschaft.

Wir wollten ihn schon lange treffen, nicht nur, weil er ein erfolgreicher Trainer ist, er ist sogar als „Trainer der Saison“ nominiert, sondern auch, weil er aus Slowenien kommt. Und so sind wir nach Burg gefahren, eine Kleinstadt im Spreewald in der Nähe von Cottbus, denn dort wohnt Bojan Prasnikar seit dem 28. September 2007. Wir waren in der Bäckerei 30 mit ihm verabredet, eine große Bäckerei mit Café im Zentrum des Kurortes. Wir kamen eine Viertelstunde zu früh und sahen ihn schon von weitem, wir gingen gleich auf ihn zu und fühlten uns sofort mit ihm vertraut. Bojan Prasnikar ist ein sehr offener Mensch, witzig und nett. Er sieht braun gebrannt aus, was wahrscheinlich daran liegt, dass er viel Zeit draußen auf dem Sportplatz verbringt.

Aufgewachsen ist er in dem ehemaligen Jugoslawien, in der Teilrepublik Slowenien. Er wohnte in der Nähe eines Sportplatzes, wo er mit anderen Jungen immer Fußball spielte. Dann trat er in einen Verein ein, war auf einem Gymnasium, studierte danach und wurde schließlich Sportlehrer, 18 Jahre lang. „Nebenbei war ich in der Mannschaft einer der besten Spieler, auch Torjäger und Trainer, aber kein Profitrainer“, erzählt er uns, als ob es das Normalste der Welt gewesen wäre. Vor 15 Jahren wechselte er in den Profibereich, seine Erfahrungen als Lehrer und Fußballpieler waren ihm dabei sehr behilflich.

Als man Bojan Prasnikar einen Vertrag bei Energie Cottbus anbot, freute er sich sehr, denn „für mich war die Bundesliga etwas Besonderes, ich habe immer Bezug dazu gehabt, immer im Fernsehen gesehen, wie es um den Verein stand. Cottbus war schon zwei, drei mal in der Ersten Liga, die beste Mannschaft der Zweiten Liga, darum habe ich schon einige Informationen vorher von der Mannschaft gewusst.“

Leicht war es für ihn nicht, als er hier im Herbst ankam: „Alle Spieler waren für mich unbekannt. Und ich auch für sie. Die ersten Tage waren bestimmt sehr schwer für beide Seiten.“ Energie Cottbus ist ein sehr interessanter, außergewöhnlicher Verein. Die Spieler kommen aus fünfzehn verschiedenen Nationen, sprechen also fünfzehn verschiedene Sprachen. Bojan Prasnikar hatte zwar deutsch in der Schule gehabt, aber vieles vergessen. Das erste Problem war also die Verständigung untereinander. Die Spieler, die kein Deutsch sprechen, besuchen mehrmals die Woche einen Sprachkurs. „Wenn wir uns besser verst?ndigen, dann haben wir bessere Möglichkeiten. Die wichtigste Sprache bei uns ist die deutsche Sprache“, erklärte uns Prasnikar. Ein großer Vorteil für den slowenischen Trainer ist auch seine Mehrsprachigkeit. Da er in Ex-Jugoslawien aufgewachsen ist, spricht er slowenisch, seine Muttersprache, und zusätzlich serbo-kroatisch. Deshalb kann er auch mit Spielern vom Balkan in ihrer Muttersprache sprechen und das erleichtert die Kommunikation. Deutsch sprechen ist für ihn also sehr wichtig, wichtiger aber ist das Fußballspielen.

Als Bojan Prasnikar nach Cottbus kam, war der Verein „die letzte Mannschaft in der Liga, ganz unten“. Die Prognosen standen ganz schlecht. Deshalb ist die Rolle des Trainers entscheidend. „Es ist ein universaler Job, ein komplizierter Beruf. Der Trainer muss schreiben und rechnen können, Fußball spielen. Psychologie und Philosophie sind auch sehr wichtig, alles ist ein Ganzes“, sagt Prasnikar.

Der Trainer hat das Sagen. Er ist schließlich der Leitwolf des Mannschaftsrudels. Dabei spielt Disziplin eine große Rolle. Denn „wenn du zu spät zum Flughafen kommst, ist dein Flug weg. Das bedeutet Zusammenarbeit: Wenn einer aus der Gruppe zu spät kommt, müssen alle warten. Und das geht nicht.“

Die Strategie des Trainers hängt vom Platz der Mannschaft in der Bundesliga ab. Die Siegermannschaft muss immer versuchen, den ersten Platz zu behalten. Sie steht unter einem großen Druck. Bei den anderen Mannschaften ist es anders: „Jeder Punkt ist sehr wichtig, darum ist es ein Kampf um jeden Punkt. Am Ende waren schließlich mehr Niederlagen als Siege. Und psychologisch ist es sehr schwer und das bedeutet, dass der Trainer hier viel unterstützen muss.“

Und das tat Prasnikar. Keiner rechnete noch mit dem Klassenerhalt von Energie Cottbus. Aber er ermutigte die Mannschaft und redete ihr ein, dass es möglich war. „Wir hatten eine sehr schwere Aufgabe, wir haben Kampf gegen alle Mannschaften geführt. Wir haben einen Supererfolg gehabt.“ Das freute natürlich alle Fans, auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Ehrenmitglied der Mannschaft ist und gesagt hat, dass sie immer an diese Mannschaft geglaubt hat.

Es wird also in der nächsten Saison wieder ein harter Kampf sein. Cottbus muss als kleine Mannschaft mit einem kleinen Etat auskommen und gegen andere Mannschaften antreten, die über ein viel größeres Budget verfügen, dass heißt, das sie bessere Spieler kaufen können. Der Erfolg von Energie Cottbus freute nicht nur Fans in Deutschland. Durch Prasnikar sind jetzt viele Slowenen auch Fans dieser Mannschaft. Und so kamen wir auf das Thema Slowenien.

Wir wollten wissen, ob sein Land sich geändert hat, seitdem es der EU beigetreten ist. Er erklärte uns, dass die Slowenen sehr froh darüber seien, auch über die Einführung des Euros, nur dass dadurch die Preise sehr gestiegen sind, obwohl die Leute nicht mehr verdienen als früher. Irgendwann wird er auch nach Slowenien zurückkehren. Seine Erfahrungen in der Bundesliga werden ihm neue Möglichkeiten in anderen Vereinen eröffnen. Aber bis Juni 2010 wird er erstmal in Cottbus bleiben. Bis dahin läuft sein Vertrag.

Jetzt ist Bojan Prasnikar zu seiner Familie nach Slowenien gefahren. Er besucht sie endlich nach drei langen Monaten. Am Anfang fuhr er fast jeden Monat dorthin, aber „danach war zuviel Druck“, er und seine Mannschaft mussten sich „maximal konzentrieren auf das Wichtigste“. Bojan Prasnikar wohnt 70 Kilometer von Ljubiljana, der Hauptstadt, entfernt „in einem Dorf, wo es genau so schön ist wie hier in Burg“. Sowohl sein Sohn (20) als auch seine Tochter (9) spielen viel Fußball, sein Sohn ist sogar Profi. Er freut sich sehr auf seine Familie und auch auf das slowenische Essen, das er hier nicht bekommt, denn „keiner kennt das hier“. In seinen Koffer hatte er viele Trikots mit den Farben von Cottbus eingepackt!


Von Alina und David