Entstehung eines Filmes:

Wim Wenders, ein international bekannter Regisseur, erzählt (Teil 2)

 

Die meisten Filme fangen irgendwo mal an mit einer persönlichen Idee, einem Traum oder einer Wunschvorstellung, und reifen so allmählich. Wim Wenders

 

Ein Beispiel dafür – Der Himmel über Berlin


Ich hatte zehn Jahre in Amerika gelebt, und dann bin ich nach Berlin zurückgekommen. Ich fand, dass es eine unheimlich aufregende Stadt war, und deshalb wollte ich sehr gerne einen Film eben über Berlin machen. So bin ich dann tagelang, wochenlang und monatelang herumgegangen oder mit dem Fahrrad herumgefahren und habe überlegt, welche Geschichte kannst du über Berlin erzählen, in der die Stadt richtig gut vorkommt.

 

 

Ausdauer


Ich habe mir tausend Sachen ausgedacht, aber es war alles nicht so, dass ich dachte: Mensch, das ist es! Wenn man eine Idee hat, dann muss sie so stark sein, dass man darein ein bis zwei Jahre Arbeit investieren will. Denn wenn man nach 14 Tagen die Lust verliert oder nach sechs Monaten, dann ist das eine Katastrophe. Also muss man schon bei der Idee wissen: der kann ich vertrauen, die hält die ganze Zeit durch.

 

 

 

Briefträger, Feuerwehrleute oder Engel?


Ich musste natürlich irgendwelche Figuren für den Film finden, die möglichst viel herumkommen in der Stadt und mit möglichst vielen Leuten in Kontakt sind. Und da habe ich zuerst gedacht: Briefträger! Aber zu Briefträgern sind mir keine gute Geschichten eingefallen. Und dann habe ich an Feuerwehrleute gedacht, aber auch das hatte seine Grenzen. Und irgendwann ist mir aufgefallen, dass es in Berlin richtig viele Engelsfiguren gibt, in allen möglichen Ecken der Stadt, nicht nur auf Friedhöfen!

 

 

Wie eine Filmidee entsteht


Irgendwann habe ich mir also in mein Notizbuch geschrieben: Schutzengel? Engel kommen natürlich richtig viel herum. Und die haben natürlich noch Tausende anderer Vorteile: sie sind unsichtbar, sie können machen, was sie wollen. Mit diesen Schutzengeln war plötzlich alles möglich. Ich konnte überall drehen, wo ich Lust hatte, und ich hatte inzwischen eine Menge Lieblingsschauplätze in Berlin, wo ich mit meinem Briefträger oder meinen Feuerwehrleuten nicht hingekommen wäre. Dann habe ich angefangen, mir eine Geschichte auszudenken, in denen Schutzengel die Hauptrollen spielen. Und so entstand allmählich der Film.

 

 

 

Engel und die Berliner Mauer 1986


Ich habe den Filmminister der DDR besucht und versucht, Genehmigungen zu bekommen, um auch im Ostteil der Stadt zu drehen. Aber als er gemerkt hat, was ich vorhatte - Schutzengel, die sind unsichtbar und können durch Wände gehen, also auch durch die Wand schlechthin, die Mauer - da war er absolut Essig. Wir haben dann doch ein bisschen in Ostberlin gedreht, allerdings heimlich.

 

Originaltitel Der Himmel über Berlin
Produktionsland Deutschland, Frankreich
Originalsprache

Deutsch, Englisch, Französisch

Erscheinungsjahr 1987
Länge 127 Minuten


Interview: Alina, Sidney, André und David
am 13. Januar 2010

© Text und Bild: Grand méchant loup | Böser Wolf