drapeau français
Pfeil

Europa ist wie ein Fußballverein, es braucht
eine Führung - Giscard d'Estaing im Interview

2007, kurz nachdem sie seinen großen Freund Helmut Schmidt getroffen hatten, haben die Kinderreporter des Bösen Wolfes den ehemaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing interviewt, der ihnen erzählt hat, was er als Staatspräsident mochte und nicht mochte und warum er sich so für Europa engagiert. Hier ein Auszug des Interviews.

Das Gesamtinterview Valéry Giscard d'Estaing lesen (pdf) >


Was fanden Sie gut an Ihrer Arbeit als Staatspräsident von Frankreich?
Ich arbeite gerne, ihr vielleicht weniger, ich weiß nicht (Lacht). Am meisten gefällt mir eine Arbeit, bei der man nachdenken kann.


 

Und was mochten Sie nicht?
Zeremonien. Würden sie eine halbe Stunde dauern, ginge das. Aber sie dauern zwei oder drei Stunden, und alle schauen einen an. Da sind Fotografen, Kameras usw.! Die Militärparaden dagegen mochte ich.

 

Sie wurden in Koblenz geboren. Haben Sie
lange hier gelebt?

Meine ältere Schwester und ich blieben ungefähr drei Jahre hier, dann kehrten wir nach Frankreich zurück.


Was wollten Sie früher werden, als Sie Kind waren?
Es gab eine Zeit, da wollte ich Matrose werden. Dann dachte ich, dass Ingenieur das Richtige wäre, aber dann kam der Krieg.


War der Krieg in Ihrer Kindheit das Wichtigste?
Ja (auf Deutsch). Ja, weil mein Vater zur Armee musste. Wir wechselten daraufhin die Schule, weil wir Paris verlassen hatten.

 

Hatten Sie Angst vor den Deutschen?
Ja… Weißt du, damals wurden die Deutschen als böse Menschen beschrieben.


Wovor haben Sie jetzt Angst?
Heutzutage habe ich keine besondere Angst. Aber als ich klein war, hatte ich Angst vor Kühen, weil wo ich damals lebte, die Kühe tagsüber auf die Weide geführt wurden und abends in die Ställe zurückkehrten. Wenn einem plötzlich zwanzig Kühe in einer kleinen Straße entgegen kamen, machte das Angst.

Zeichnung: David, Grand méchant loup | Böser Wolf e.V.

Wann kamen Sie nach Deutschland zurück?

Ich war der erste französische Staatspräsident, der Berlin besuchte. Es war 1979.


Worüber sprachen Sie mit dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt?
Über böse Wölfe! Helmut, haben Sie den Wolf gesehen? Nein. Und Sie, haben Sie den Wolf gesehen? Non. Lachen. Nein, wir sprachen über gemeinsame Probleme von Deutschland und Frankreich.


Für uns ist Europa die Europäische Union. Das ist eine Gruppe von Ländern, die nicht arm sind und die sich untereinander gut verstehen. Wir finden das gut, weil es keinen Krieg gibt. Und warum ist Europa für Sie so wichtig? Was bringt uns Europa?
Was du über Europa sagst, ist sehr gut. Genau das ist Europa. Als ich so alt war wie ihr, wurden zwischen Frankreich und Italien noch militärische Befestigungsanlangen gebaut. Dashat sich alles völlig geändert. Europa braucht man, denn unsere Länder sind sehr klein. In China leben 1,3 Milliarden Menschen, in Indien werden es bald 1,2 oder 1,3 Milliarden sein, und in Europa sind die Deutschen mit rund 80 Millionen Menschen die zahlreichsten…


82 Millionen.
Ja, 82 Millionen, aber es werden weniger. Im Vergleich zu den großen Ländern der Welt sind wir zu klein.


Wo hört Europa für Sie auf?
Im Westen ist es eindeutig, weil dort der Atlantische Ozean eine natürliche Grenze bildet. Im Süden ist es das Mittelmeer. Im Osten ist das schwieriger. Russland kann nicht zweigeteilt werden… Aus diesem Grunde gehört Russland nicht zur Europäischen Union, zumal es dies ja auch gar nicht wünscht.


 

Warum braucht Europa eigentlich eine europäische Verfassung?
Warum braucht ein Fußballverein wohl eine Führung? Damit das läuft! Ein System ohne Regeln funktioniert nicht. Eine Schule ohne Direktor oder Direktorin würde gar nicht funktionieren, das wäre das reinste Durcheinander.


Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?

Ich schlafe. Und ich gehe spazieren, weil ich gerne laufe. Ich habe Hunde und nehme sie auf meinen Spaziergängen mit. Leider keine Wölfe. Aber wenn ihr einen übrig habt, nehme ich ihn gerne auf meinen Spaziergängen mit.

 

Was sind das denn für Hunde?
Ich habe einen ganz kleinen tibetanischen Hund. Auf dem Lande habe ich Labradors. Mein Hund ist französischer Meister. Er heißt Typhon. Man wirft ihm etwas zu und schon bringt er es wieder zurück.

 

Mögen Sie Sport?

Ja, sehr sogar! Ich habe mehrere Sportarten betrieben, vor allem Ski und Tennis. Beim Ski war ich ziemlich gut. Ich habe im Gymnasium Fußball gespielt. Ich höre mir die Fußballspiele eher im Radio an.


Möchten Sie uns eine Frage stellen?

Wie stellt ihr euch Europa vor, wenn ihr groß seid?

Zeichnung: Grand méchant loup | Böser Wolf e.V.

Ich glaube, dass es keinen Krieg mehr geben wird.

Schon jetzt gibt es keine mehr, aber es wird noch weniger geben.


Ich glaube, Europa wird zusammen bleiben.


Glaubst du, dass wir immer vereinigt bleiben werden?

(Alle) Ich hoffe!

------------------

Das Interview mit dem deutschen Freund von Valéry Giscard d'Estaing lesen, dem Altbundeskanzler Helmut Schmidt >

Das Gesamtinterview mit Valéry Giscard d'Estaing lesen (pdf)>

Interview : Alina, David, Alexandre, Anastasia
Zeichnungen : David, Alina
Text, Zeichungen und Bilder : © Grand méchant loup | Böser Wolf. 2007