Wie wird man Polizistin? Birgit Spier ist Kripobeamtin in Berlin und zuständig für die Taschendiebstahlabteilung. Sie erzählt über ihren Beruf den Kinderreportern des Bösen Wolfes
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Als ich 14 war, habe ich zu meinen Eltern gesagt: Ich will zur Kripo! Woher diese Idee stammt, weiß ich selber nicht. Ich hab immer Krimis gelesen und mir den Beruf spannend und aufregend vorgestellt.
Er hat schon sehr reizvolle Seiten. Weniger spannend ist die Schreibtischarbeit. Wenn man jemanden fragt, dem die Brieftasche geklaut wurde: „Haben Sie etwas gesehen, würden Sie den Mann wiedererkennen?“ Dann sagt er vielleicht nur „nein“ und trotzdem muss man eine Akte darüber anfertigen.
In Berlin erstaunlicherweise ja. Ich schätze, dass ihr Anteil bei 50 Prozent liegt. Es gibt allerdings nicht viele Frauen in Führungspositionen, so wie ich. Ich bin Chefin.
Nein, Chefin des Kommissariats, das sich mit Taschendiebstahl beschäftigt. Es ist das einzige in ganz Berlin. Es gibt sehr viel zu tun, deshalb sind wir viele; ich habe 50 Mitarbeiter.
Den Begriff Kriminalinspektor gibt es nur im Krimi. Ich bin Kriminalhauptkommissarin. Frauen müssen dasselbe leisten wie Männer, sie müssen genauso oft zum Schießtraining (zweimal im Jahr) und zum Sporttraining gehen. Jeder Polizeibeamte trägt eine Waffe.
Manchmal, wenn wir nach Beweismitteln in Wohnungen suchen, schauen wir, dass ein paar Männer dabei sind, die körperlich kräftiger sind.
Das war eher Zufall. Lange habe ich mich mit Einbrechern und Räubern beschäftigt, mit Banküberfällen. Dann wurde ich gefragt, ob ich nicht den Taschendiebsbereich leiten möchte.
Wenn ich eine Straftat beobachte, greife ich immer ein. Es ist sogar so, dass nicht nur jeder Polizist handeln muss, sondern auch du oder jeder andere das sogar tun darf. Jeder darf einen festnehmen, wenn er meint, der begeht jetzt eine Straftat und darf ihn auch so lange festhalten, bis die Polizei eintrifft.
Es werden relativ wenig Täter gefasst, leider.
Meistens arbeiten sie zu zweit. Einer rempelt an und der Komplize nutzt die Gelegenheit aus, um sich ans Werk beim Opfer zu machen. Es gibt unzählige Tricks, einer besteht darin, das Opfer mit Senf oder Ketchup zu beschmutzen, und es zu beklauen, während es abgelenkt ist. Auf jeden Fall mögen Taschendiebe Gedränge und große Menschenmengen, in der U-Bahn vor allem, also in den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Taschendiebe gucken genau auf Menschen, auf das, was sie bei sich haben: ob sie z.B. eine Brieftasche versteckt haben. Sie haben einfach einen anderen Blick. Wenn Polizisten einen Verdacht haben, dann bleiben sie an denen dran, so, dass sie möglichst jemanden auf frischer Tat beobachten und festnehmen.
Ich würde sagen, zu 70 Prozent sind es Männer und zu 30 Prozent Frauen.
Wir durften die Handschellen zum Spaß ausprobieren
Das ist ja eine Fangfrage! Ja, ich muss gestehen, als ich vielleicht 12, 13 war. Wobei man ja erst bestraft wird, wenn man 14 ist. Das soll euch jetzt nicht ermuntern, Straftaten zu begehen!
Mir war die Schlange an der Kasse im Kaufhaus zu lang, so habe ich ein paar Sicherheitsnadeln in die Tasche gesteckt. Ich hatte ein tierisch schlechtes Gewissen dabei. Und ich habe es seitdem nie wieder gemacht.
Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Es ist immer gut, wenn Kinder oder Jugendliche möglichst schnell erwischt werden, damit sie mitkriegen, dass es nicht der richtige Weg ist. Aber jedes Kind testet irgendwann seine Grenzen aus, und es kommt oft vor, dass sie es so machen wie ich.
Nein, ich habe es auch keinem erzählt.
Das war ein Banküberfall Mitte der 1990er Jahre. Die Täter haben einen 100 Meter langen Tunnel gebuddelt und sind direkt unter einer Bank rausgekommen, so dass sie nur noch die Decke durchstoßen mussten. Dann haben sie die Bank überfallen und die Mitarbeiter als Geiseln genommen. Sie wollten 10 Millionen DM Lösegeld haben. Dann verhandelte die Polizei mit den Tätern. Es gab große Absperrungen draußen um die Bank herum. Zunächst passierte nichts, bis die Polizei sich entschied, die Bank zu stürmen, um die Geiseln zu befreien und die Täter festzunehmen.
Das Komische war, dass alle Geiseln da waren, gefesselt, aber die Täter waren weg. Sie hatten alle Schließfächer aufgebrochen, es sah ziemlich wild aus. Dann hat man im Keller die Öffnung zum Tunnel gefunden. Den hatten sie als Fluchtweg benutzt. Und der Tunnel ging so weit, dass die Täter außerhalb der Polizeiabsperrung rausgekommen waren. Das war natürlich schlau gemacht.
Ja, weil so eine Buddelei natürlich auffällt. Man konnte auch sehen, wo die rausgekommen sind: in einer Kleingartenkolonie. Dann gab es doch relativ viele Zeugen. Sie hatten sich ein ganzes Jahr darauf vorbereitet, in einem Jahr legt man natürlich viele Spuren. Ihr müsst euch mal vorstellen, wenn man so einen langen Tunnel gräbt, kommt zum Beispiel unheimlich viel Sand zusammen und der muss irgendwo hin. Von daher konnten alle Täter ermittelt werden, wir haben aber nicht das ganze Geld wiedergefunden.
Sie haben sich gut vorbereitet bzw. sie haben sogar ein Rohr für sich genutzt. Sie haben von dem Garten bis zu einem Abwasserrohr gebuddelt und dann haben sie sich in diesem Abwasserrohr mit einem Skateboard fortbewegt. In so einem Rohr muss man ja liegen, weil man sich nicht aufrecht bewegen kann.
Ja, da steht immer ein bisschen Wasser, aber nicht viel. Das war ein relativ großes Rohr. Ein bisschen nass geworden sind sie sicherlich und dann haben sie von dem Rohr ein Stück ausgeschnitten und von diesem Rohr aus wieder einen weiteren Tunnel zu der Bank gebaut. Sie waren schon gut vorbereitet!
Normalerweise stürmen die Täter die Bank, also sie gehen schnell rein, halten Waffen vor, fordern Geld und gehen schnell wieder raus. Aber heutzutage gibt es gar nicht mehr so viele Banküberfälle.
Früher gab es eine Kasse voll mit Geld, und wenn der Täter den Kassierer bedroht hat, musste er das Geld rausgeben. Heutzutage gibt es automatische Kassentresore, da müssen die Angestellten irgendeine Nummer eingeben und dann kommt das Geld von unten hochgefahren. Ich kann mich erinnern, 1997 gab es 96 Banküberfälle, heute gibt es fünf bis zehn im Jahr.
Ja! Meistens wegen Raubes oder Einbruchs. Wir haben viel gegen Einbrüche in Einfamilienhäusern ermittelt und dabei Leute auf frischer Tat ertappt. Sie sind aus dem Haus geflüchtet und wir sind dann hinterher und haben sie festgenommen. Das ist immer sehr aufregend, weil man ja nie weiß, was passiert.
Genau, wir tragen auch Schutzwesten. Man weiß nicht, wie viele Täter da sind. Deshalb sollte man nie alleine als Polizist aktiv werden, sondern immer warten, bis Unterstützung kommt. In Krimis ist es immer ganz anders: Leute laufen alleine los und gehen in eine Wohnung und wollen jemanden festnehmen. Das ist sehr unrealistisch, das passiert eigentlich nie.
Angst nicht, aber ich bin aufgeregt und so eine gewisse Unsicherheit macht auch wieder aufmerksam.
Ja, in einem Lokal. Wie üblich, hängt man seine Jacke über den Stuhl und in der Jackeninnentasche ist dann die Brieftasche. Es gibt Täter, die gehen in Gaststätten und setzen sich dann auf den Stuhl hinter einem – Rücken an Rücken – und fangen an, entweder unter der Jacke durchzufummeln oder sie gehen sogar durch den Ärmel durch, und ziehen die Brieftasche durch den Ärmel wieder zurück.
Die richtig Guten nehmen sich die Brieftaschen raus, nehmen sich das Bargeld, also die großen Scheine, und packen die Brieftasche wieder zurück. Die Gefahr, dass sie erkannt werden, ist größer, weil sie zweimal agieren müssen. Aber der Vorteil ist, dass sie nur Bargeld bei sich haben, wenn sie ertappt werden. Da kann man schlecht beweisen, dass es geklaut ist.
Die Diebe waren schon weg. Meine Freundin saß direkt gegenüber und sie hat auch nichts mitgekriegt. Das war kein gutes Gefühl, zumal man als Polizist denkt, man sei davor gefeit. Aber es kann uns genauso treffen.