„Es ist unsere Aufgabe, nicht alles allein zu machen.“
Ein Interview der Kinderreporter des Bösen Wolfes mit drei Abgeordneten der deutsch-französischen Parlamentariergruppe
Der Grand méchant loup war im Bundestag und sprach mit Yves Bur, Vizevorsitzender der französischen Nationalversammlung, mit Andreas Schockenhoff und Angelica Schwall - Düren, Mitglieder des Deutschen Bundestages.
In welcher Partei sind Sie?
Yves Bur: In der UMP, Union pour un Mouvement Populaire. Es ist eine konservative Partei in Frankreich.
Angelica Schwall-Düren: Ich bin Mitglied der SPD, Sozialdemokratische Partei Deutschlands.
Andreas Schockenhoff: Ich bin in der CDU, in der Christlich Demokratischen Union. Wir sind die Partnerpartei der UMP in Frankreich.
Warum interessieren Sie sich für Frankreich und Deutschland?
Angelica: Ich bin nicht weit von der französischen Grenze groß geworden und habe Französisch als erste Fremdsprache gelernt. Ich habe dann in meiner Stadt immer Kontakt mit Franzosen gehabt, weil die französischen Soldaten mit ihren Familien bei uns waren. Wir haben uns getroffen, im Schwimmbad und auf surprise parties, wie das damals hieß, und haben uns angefreundet. Mein Großvater ist 1918 in den letzten Kriegstagen umgekommen, mein Vater hat im Zweiten Weltkrieg gekämpft und ist am Ende in französische Gefangenschaft gekommen. Da war für mich und meine Freunde ganz klar, wir wollten so etwas wie Krieg zwischen unseren Ländern nie mehr erleben. Wir wollten Freunde sein. Deswegen engagiere ich mich auch weiter in der Politik dafür.
Andreas: Meine Beziehung zu Frankreich hat auch etwas mit meinem Vater zu tun. Er hat als deutscher Soldat bei einer französischen Familie gelebt und hat, obwohl die Länder verfeindet waren, eine sehr enge persönliche Freundschaft gehabt. Kinder dieser Familie wurden dann regelmäßig zu uns nach Deutschland geschickt, und ich war mit meinen Geschwistern bei dieser Familie in Frankreich. Frankreich habe ich immer geliebt, weil es für mich etwas ganz Besonderes war.
Wird es einmal nur einen Bundestag geben für ganz Europa?
Yves: Es wäre nicht wünschenswert, dass es ein einziges europäisches Parlament gibt. Ich glaube, dass jede Demokratie ein eigenes Parlament braucht, weil die Geschichte unserer Völker verschieden ist und wir auch unterschiedliche Lebensbedingungen haben.
Angelica: Es ist wichtig, dass manche Fragen nicht mehr allein in den einzelnen Ländern entschieden werden können. Z.B. wenn wir die Luft verschmutzen, dann geht das über die Grenzen hinweg. Deshalb muss man bestimmte Dinge gemeinsam in Europa regeln. Damit nicht nur die Regierungen das Miteinander regeln, gibt es das Europaparlament, das dann die Regeln für Europa macht.
Was macht die deutsch-französische Parlamentariergruppe?
Andreas: Wir treffen uns mehrmals im Jahr. Wir haben viele Probleme in unseren Ländern, in Frankreich genauso wie in Deutschland. Wir tauschen uns aus und lernen voneinander, wie jeweils der andere die Probleme löst.
Was mögen Sie an Ihrer Arbeit?
Angelica: Was ich liebe ist, dass man mit vielen unterschiedlichen Themen zu tun hat und spannende Leute kennen lernt. Was ich nicht mag, ist, dass man manchmal in sehr, sehr langen Sitzungen sitzen muss und die Kollegen und Kolleginnen kein Ende finden mit dem, was sie zu erzählen haben. Deswegen höre ich jetzt auch sofort auf.
Langweilen Sie sich manchmal bei der Arbeit?
Yves: Normalerweise haben wir keine Zeit, uns zu langweilen, uns fehlt es vielmehr an Zeit. Natürlich gibt es auch Sitzungen, bei denen man sich langweilt, man ist zwar im Raum, schläft aber vielleicht ruhig und unauffällig ein bisschen. Langweilt ihr euch manchmal in der Schule?
Ja, aber wir können nicht schlafen, das dürfen wir nicht.
Was war Ihr Lieblingsbuch als Kind?
Andreas: Bei mir waren es Winnetou und die Indianerbücher von Karl May.
Yves: Als ich noch ganz klein war, Sylvain et Sylvette, das sind Comics, dann Tim und Struppi und Der Graf von Monte-Christo.
Angelica: Bei mir waren es vor allem Bücher, die mit Pfadfindern zu tun hatten. Ich hatte eine Zeit als kleines Mädchen, da wollte ich viel lieber ein Junge sein, ins Zeltlager gehen und solche Abenteuer erleben. Deswegen haben mich diese Bücher besonders interessiert.
Wovor haben Sie Angst?
Angelica: Ich habe schon Angst davor, dass wir es nicht lernen, mit der Fremdheit umzugehen. Dass die Menschen sich nicht angucken, wie das ist, wenn Menschen anders denken, andere Traditionen, andere Gebräuche haben und das nur einfach ablehnen.
Interview: Alina, David, Johannes & Léo Zeichnungen: David Text, Zeichnungen und Fotos: © Böser Wolf | Grand méchant loup 2005