„Wir treffen uns oft im Internet...“
Patrice und Eric Kirchhoff, Zwillinge und Flötisten, Pariser und Berliner, erzählen
Patrice spielt in Paris in einem Symphonie-orchester, Eric spielt in Berlin an der Deutschen Oper. Die Kinderreporter der Bösen Wölfe haben mit ihnen gesprochen.
Warum spielen Sie Flöte und warum haben sie sich dieses Instrument ausgesucht?
Eric: Unser Vater hat uns, als wir vier Jahre alt waren, eine Blockflöte geschenkt; er wollte mal sehen, ob wir nicht ein verstecktes Talent haben. Wir haben recht schnell Fortschritte gemacht, und mit 6 Jahren sind wir in eine kleine Musikschule gekommen. Danach wollten wir ein größeres Instrument haben, das war im Alter von 10 Jahren.
Patrice: Unsere Eltern hatten nicht so viel Geld, also haben sie für uns zwei Klarinetten geliehen, und es klappte gut. Wir gehörten
einem kleinen Orchester an, wo es nur einen einzigen Flötisten und Klarinettisten gab. Dieser Flötist, der nicht schlecht spielte, war super nett und super lustig. Er machte die ganze Zeit Witze, er war ein bisschen der Star. Auf Anhieb sagten wir uns, „warum eigentlich nicht Flöte?“ Dann brachte uns der Weihnachtsmann Querflöten, als wir 11 waren.
Haben Sie, als Sie Kinder waren, sehr ähnlich ausgesehen?
Eric: Ja, wir ähnelten uns sehr.
Patrice: Ich habe sogar Schwierigkeiten, mich auf Fotos wieder zu erkennen. Bis 15 riet ich immer falsch. Aber danach, das ist wahr, hat sich das stark verändert.
Haben Sie sich manchmal in der Schule oder woanders für den anderen ausgegeben, um einen Scherz zu machen?
Eric: In der Tat haben wir das einmal versucht. Ich bin an seiner Stelle in den Musikunterricht Wir ähnelten uns sehr. Und da der Lehrer nur meinen Bruder kannte, hat es vielleicht 20, 30 Minuten geklappt, danach hat sich der Lehrer gesagt: „Der hat aber komische Reaktionen, er ist komplett anders!“
Und haben Sie sich auch bei den Konzerten jeweils für den anderen ausgegeben?
P.: Nein. Bisher nicht, aber das ist eine gute Idee.
E.: Das wird schwieriger sein, da wir überhaupt nicht im selben Orchester sind!
P.: Die französische Musikkultur ist im Vergleich zur deutschen ganz anders. Die Art, in einem Orchester zu spielen ist genauso unterschiedlich, zum Beispiel spielt man in Frankreich und in Deutschland nicht in der gleichen Tonlage, und man spielt nicht mit der gleichen Klangqualität, folglich ist es nicht so leicht sich auszutauschen.
Warum spielen Sie in Berlin und nicht in Paris?
E.: Ich hätte gerne probiert, an der Pariser Oper zu spielen, aber es gab keinen Platz. Vorher war ich im Straßburger Orchester, wo ich sehr früh anfing, und ich sagte mir, dass ich entweder nach Paris oder wirklich ins Ausland gehen möchte. Dann habe ich es mit Berlin versucht. Es gab eine Aufnahmeprüfung mit vielleicht etwa 130 Kandidaten. Ich habe es geschafft, das ist alles. Es hätte München oder London sein können, das sind eben die Zufälle des Lebens.
Spielen Sie die gleichen Stücke in der Pariser Oper wie in der Berliner Oper?
Patrice: Also ich bin nicht an der Oper, ich bin in einem Symphonieorchester, folglich ist das Repertoire ganz anders, es sind symphonische Werke, zum Beispiel eine von Beethovens Symphonien oder Ravels Bolero. Das gesamte Orchester ist auf der Bühne und man sieht nur das Orchester.
Eric: An der Oper bin ich in einem Orchestergraben, folglich bekommt der Zuschauer das Orchester nicht zu Gesicht. Man sieht die Bühne, was dort passiert, die Sänger, die Handlung.
Haben Sie schon in Berlin gepielt?
Patrice: In Berlin, ja. Eine der ersten Konzertreisen mit dem Pariser Orchester war in Berlin, und dann habe ich ein kleines Solo gemacht, und ich hatte das Glück, von einem Journalisten bemerkt zu werden, der sagte: „Dieser Flötist da hat ganz gut gespielt.“ Sonst sind wir regelmäßig auf Tournee in Berlin.
Kommt es noch vor, dass Sie für die Arbeit oder zu Hause zusammenspielen?
Eric:Also, zu Hause nur, wenn wir ein geplantes Konzert haben. Aber zusammen spielen wir schon, vor einem Jahr in der Berliner Philharmonie das Weihnachtsoratorium von Bach.
Und spielen Sie auch in Paris?
Eric: Oh! Das ist lange her, dass ich in Paris gespielt habe. Auf alle Fälle ist das sehr selten.
Vermissen Sie den anderen manchmal?
Eric: Wir treffen uns oft im Internet. Manchmal siehst du, dass der andere im Internet ist, also tippst du ihm eine kleine Nachricht. Und du siehst ihn live, das ist eine Kommunikationsform, die nicht so schlecht ist!
Was finden Sie gut an Ihrer Arbeit?
Eric: Also die erste Sache: Wir arbeiten nicht zu viel. Und dann sind wir immer mit der Musik in Kontakt. Musik herzustellen heißt, Schönheit, Poesie herzustellen, es heißt kreativ zu sein. Du kannst dich mit anderen Leuten über eine bestimmte Art verständigen, die andere Leute gar nicht kennen. Einer dieser Augenblicke, die ich in meinem Beruf besonders mag, ist beispielsweise zum ersten Mal mit einer Person, die ich ganz und gar nicht kenne, Kammermusik zu spielen. Du triffst einen Pianisten, begrüßt ihn, und auf Anhieb spielt man sofort gemeinsam ein Stück. Du weißt nichts über den Menschen neben dir, du weißt nicht, wie er ist, wie es um seine Laune steht, woran er denkt und von diesem Augenblick an besteht eine Verständigung, die nur durch die Verbindung zur Musik zustande kommt.
Interview: Sydney & David
Zeichnungen: David und Alina
Text und Fotos: © Grand méchant loup| Böser Wolf
Dezember 2007