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Die Schützengräben im Krieg waren voller Tiere

Ein Interview der Kinderreporter vom Bösen Wolf mit Eric Baratay,
Historiker und Experte für Tiergeschichte

 

Die verschiedene Tiere in den Schützengräben
Auswahl und Ausbildung der Tiere im Krieg
Haustiere und Maskottchen in den Schützengräben
Helden unter den Tieren im Krieg
Krankheiten und Stress bei Tieren im Krieg
Tiere im Krieg in der Zukunft

 

Tiere im Ersten Weltkrieg

Wie viele Tiere gab es? Und um welche Tiere handelte es sich?

Tiere im Krieg - Tierexperte Eric Baratay

Es gab viele Tiere in den Schützengräben. Die Zahlen können jedoch nur geschätzt werden: ungefähr 11 Millionen Einhufer, 200 000 Brieftauben und 100 000 Hunde waren im Krieg. Diese Zahlen gelten nur für die Westfront. Viele Tiere wurden aber auch von den Männern mitgebracht, damit sie ihnen Gesellschaft leisteten. Hier wissen wir jedoch nichts über die Zahlen. Es gibt auch Tiere, die von selbst in die Schützengräben kamen: Ratten, Mäuse, Kaninchen, Hasen und Vögel, die sich von Abfällen ernährten. Tiere im Krieg - Tierexperte Eric Baratay

 

Wenn die Kämpfe sehr stark waren wie in Verdun, gab es solche Zerstörungen, dass nichts mehr übrig blieb. Also gab es auch keine Tiere mehr.

Auswahl und Ausbildung der Tiere im Krieg

Wie wurden die Tiere ausgewählt?

Tiere im Krieg - Tierexperte Eric BaratayDa man sehr viele Tiere brauchte, vor allem Pferde, Esel und Maultiere, konnte man nicht immer wählen. 1914 zog man sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite alle Pferde heran, die man bekommen konnte. Außer Fohlen, trächtigen Stuten oder alten und kranken Pferden. Der Bedarf war riesig und die Franzosen und die Engländer kauften sogar Pferde in Amerika.

Tiere im Krieg - Tierexperte Eric Baratay

Die Hunde wählte man nach ihrer Gemütsart aus. Manche Hunde waren gut geeignet, um mit den Soldaten zu arbeiten, Aufgaben zu übernehmen. Andere Hunde waren eher als Botenhunde geeignet, andere wiederum als Wachhunde oder Rettungshunde. Es gab aber auch Hunde, die keine Lust hatten zu arbeiten und nicht mitmachten. Oder die Nachrichten zurückbrachten oder mit großer Verspätung ablieferten, weil sie sich unterwegs aufgehalten oder einen anderen Weg genommen hatten.

 

Wer kümmerte sich in der Armee um die Tiere?

Für die Hunde und Tauben gab es Ausbilder, die sich um nichts anderes kümmerten. Je nach Land wurden sie sehr unterschiedlich ausgewählt. In England und Deutschland suchte man gute Trainer, die Lust hatten mit Tieren zu arbeiten und Tiere mochten. In Frankreich hingegen nahm man eher Leute, die nicht mehr kämpfen konnten: Verletzte, Kriegsversehrte oder Personen, die zu alt waren. Das Problem war jedoch, dass diese Leute Tiere nicht unbedingt mochten, weder Hunde noch Tauben und das hat oftmals nicht gut funktioniert. Die Hunde waren dann weniger leistungsfähig.

Die Erziehung der Kriegshunde zum Beispiel dauerte oft nicht lang genug, da sie an der Front gebraucht wurden. Dafür musste man sie jedoch an Bombenangriffe, den Lärm der Gewehre usw. gewöhnen. Wenn man sich hierfür nicht ausreichend Zeit nahm, hatten sich die Hunde an all diesen Lärm noch nicht gewöhnen können und bekamen Angst, liefen davon oder fingen so sehr an zu zittern, dass sie zu nichts mehr fähig waren.

Um die Einhufer kümmerten sich entweder die Reiter der Kavallerie, die Artilleristen oder andere Soldaten. Es gab Menschen, denen das Wohl der Pferde sehr wichtig war. Da es viele Verletzte und Tote gab, wechselten die Pferde häufig den Besitzer und das funktionierte nicht immer gut. Manche Soldaten hatten ihre Pferde, Esel oder Maultiere gut im Griff, andere hingegen hatten keine Lust sich mit den Tieren auseinander zu setzen und gingen sehr grob mit ihnen um.
Auch hätte es mehr Zeit gebraucht, um die Pferde an den Lärm zu gewöhnen oder an das Zusammenspiel mit ihren Artgenossen. Die Pferde waren oft sehr gestresst, wurden schnell krank und starben dann.

Haustiere in den Schützengräben und im Krieg

Hatte man auch Haustiere?

Tiere im Krieg - Tierexperte Eric BaratayEntweder brachten die Soldaten ihre Katze oder ihren Hund von Zuhause mit oder sie kümmerten sich um herrenlose Tiere. Manchmal fingen die Soldaten auch wilde Tiere ein, Vögel oder Kaninchen, damit diese ihnen Gesellschaft leisteten. Es gab auch Soldaten mit Schweinen, Ziegen oder Schafen. Im Hinterland hielten sich manche sogar Kühe. Die gehörten dann entweder einer ganzen Gruppe oder einem oder zwei Soldaten.

Also eher als Maskottchen?Tiere im Krieg - Tierexperte Eric Baratay

Ja. Die Engländer brachten viele Maskottchen mit, auch Affen, Ziegen aus dem Iran oder Kamele. Es gab sogar kleine Löwen in den Schützengräben. Natürlich nicht viele, vielleicht vier oder fünf. Sie waren gezähmt und kamen mit allen gut aus. Wir wissen von einem Fall, wo sich ein Löwe sehr gut mit einer Katze und einem Hund verstand. Von klein auf lernte er mit diesen Tieren zusammenzuleben. Es gibt sogar Fotos von Katzen, die sich mit Vögeln anfreundeten und nicht versuchten sie zu fressen, da sie sich schon früh aneinander gewöhnt hatten.

 

Helden unter den Tieren

Gab es auch Helden unter den Tieren?

Tiere im Krieg - Tierexperte Eric BaratayJa, überall. Bei der Schlacht von Verdun 1916 zum Beispiel wurden die Soldaten in der Festung von Vaux belagert. Als der Garnisonskommandant am Ende der Schlacht wusste, dass er kapitulieren musste, schickte er seine letzte Brieftaube aus, um mitzuteilen, dass er nicht länger Widerstand leisten konnte. Die Taube verließ also die Festung und kam in sehr schlechter Verfassung in Verdun an, da sie unterwegs Gas eingeatmet hatte. Sie wurde wie ein Held gefeiert, da sie die einzige Überlebende aus der Festung war. Sie bekam eine Medaille und eine Urkunde, einen offiziellen Schrieb, der ihre Dienste schilderte. Und noch heute hängt an der Festung von Vaux eine Informationstafel, auf der von ihrem Einsatz berichtet wird. Tiere im Krieg - Tierexperte Eric Baratay


Hunde mit Medaillen findet man überall, in allen Ländern, auch Pferde wurden ausgezeichnet. Bei den Engländern gab es ein Pferd, Ragtime, das fünf Medaillen erhielt. Es hat den ganzen Krieg mitgemacht und kehrte nach Kriegsende nach York in England zurück. Und wenn die ehemaligen Soldaten aufmarschierten, dann ließen sie auch Ragtime mit den fünf Medaillen mitlaufen.

 

Krankheiten und Stress bei Tieren im Krieg

Welche Tiere waren am meisten betroffen?

Tiere im Krieg - Tierexperte Eric BaratayAlle waren betroffen. In der ersten Reihe waren Gewehre, Kugeln und Granaten das Problem, in der zweiten konnten die Pferde durch Bombenangriffe umkommen. Tatsächlich aber starben weniger Tiere bei Bombenangriffen oder durch Gewehrkugeln, sondern aufgrund von Krankheit und Erschöpfung. Entweder arbeiteten sie zu viel, bekamen nicht genug zu fressen oder sie waren von einer Epidemie betroffen, die eine ganze Gruppe dahinraffte, wie zum Beispiel einer Art Angina bei Pferden oder der Staupe bei Hunden.

 

Tiere können nicht sprechen, können sie sich trotzdem verständlich machen?

Sie drücken sich auf ihre Weise aus. Wenn ein Pferd krank wird und sogar stirbt, drückt es damit etwas aus. Es zeigt und sagt, dass es ihm nicht gut geht. Es schafft es nicht, sich anzupassen, es zeigt, dass die Bedingungen nicht gut sind. Dann gab es auch Tiere, die wenig oder gar nicht arbeiten wollten oder denen es nicht gefiel, wie sie eingesetzt wurden. Das zeigten sie und die Soldaten sahen es, manche eher als andere. Es gibt Texte von Tierärzten, die erzählen wie sich Hunde während der Kämpfe verhielten, welche Verletzungen sie davontrugen und wie man sie behandeln konnte.

Gab es ein Krankenhaus für verletzte Tiere?Tiere im Krieg - Tierexperte Eric Baratay

Ja, ab 1914 hatten die Engländer Krankenhäuser für Pferde und Hunde. Das wurde dann zunächst von den Deutschen, schließlich von den Franzosen übernommen. Die Tiere wurden mit großer Sorgfalt behandelt, da man so viele wie möglich weiterhin einsetzen wollte. Das war eine Zeit, in der Tierärzte viele Erfindungen machten. Einige Krankheiten von Pferden und Hunden konnte man vor 1914 nicht behandeln, aber während des Krieges mussten Lösungen gefunden werden, weil man die Tiere dringend brauchte. Man hat viel getan, besonders bei den Engländern. Hier haben Bürger den Militärtierärzten geholfen, die verletzten oder kranken Tiere zu behandeln. Bei den Engländern und Deutschen war das sehr wichtig, bei den Franzosen weitaus weniger, doch die Sterblichkeitsziffer sah sehr unterschiedlich aus. Auf englischer und deutscher Seite betrug die Rate 15-20% . Auf französischer Seite lag sie bei 40%, das ist viel, die französischen Soldaten passten weniger gut auf.

Tiere im Krieg - Tierexperte Eric BaratayHatten die Tiere eine Nummer zur Wiedererkennung? Hatten sie einen Namen?

Alle hatten eine offizielle Nummer, die Pferde, die Hunde, die Tauben, aber zusätzlich hatten sie auch einen Namen. Oft hatten sie einen offiziellen Namen, aber die Soldaten gaben ihnen dann einen anderen. Wenn ein Pferd dann den Besitzer wechselte, konnte auch der Name wechseln. Dann musste sich das Tier umgewöhnen. Die Nummer brauchte man für die militärische Verwaltung: damit man wusste, wann ein Tier in die Armee gekommen war, ob es Verletzungen erlitten hatte oder wann es gestorben war.

 

Tiere und Krieg in der Zukunft

Glauben Sie, dass man auch künftig in Kriegen Tiere brauchen wird oder werden sie durch Maschinen ersetzt?

Tiere im Krieg - Tierexperte Eric BaratayNein, ich glaube, man kann sie nicht ersetzen, beide können sich eher ergänzen. Delfine können Ultraschall besser empfangen als Maschinen. Man setzt also Tiere ein, sobald sie im Vergleich zur Maschine etwas Besonderes können, etwas Besseres als die Maschinen, die man hat.
Aber das ist schwer vorauszusagen. 1913 konnte niemand wissen, dass man Hunde in den Schützengräben einsetzen würde, aber man wusste, dass sich der Krieg in den Schützengräben abspielen würde. Man erfindet also in der entsprechenden Situation das, was man benötigt.


Interview: Anissa, Chloé, Clara, Dagmara und Gaïa
Bilder: Alina, Anissa, Chloé, Dagmara, Emmanuelle und Gaïa (Kinderredaktion Grand méchant loup)

Text und Bilder © Grand méchant loup | März 2014