Politiker werden

 

Sie sind Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung…
Präsident sogar! (Lächeln)


… und des Deutschen Kinderhilfswerks. War das schon als Kind ein "Traumberuf" für Sie?
Ich bin in der DDR groß geworden. Ihr müsst euch das so vorstellen, dass viele Leute sich im Herbst 1989 in Bürgerbewegungen engagiert haben. Ich habe auch mitgemacht, war dabei aber eher spontan und nicht organisiert.


Und wie sind Sie doch Politiker geworden?
Bis 1989 gab es im Grunde nur die SED, die Sozialistische Einheitspartei. Es ging dann alles sehr schnell. Ich habe mich in der Berliner SDP engagiert und bin zum Chef der SDP in Ost-Berlin gewählt worden. Wir hatten keine Telefone, keine Büros, gar nichts. Man musste mit dem Rad oder der U-Bahn durch die Stadt fahren, um die Leute zu informieren. Deshalb suchten wir Leute mit Telefon, die in die SPD eintreten wollten. Es kam dann eins nach dem anderen. Inzwischen wurde ich letzter amtierender Bürgermeister von Ost-Berlin, für zwei, drei Wochen. 1990 gab es die Gesamt-Berliner Wahlen, und dann war ich raus. So ging es damals.


Sie wären sonst nicht in die Politik gegangen?
Durch diesen historischen Schnitt des Mauerfalls ist man einfach in die Politik hineingesprungen. Die Aufgaben kamen auf einen zu. Jeder, der halbwegs zwei Sätze formulieren konnte oder schon eine Veranstaltung moderiert hatte, war sofort qualifiziert. Gelernt haben wir in der Praxis, in Echtzeit. Es gab Probleme und man musste sie lösen.

 

 

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)

Warum ist die Bundeszentrale für politische Bildung wichtig?
In der DDR wurde uns vermittelt, was richtig und was falsch war. Politische Bildung in seiner Vielfalt war eigentlich nur durch Selbstlernen möglich. Als ich im Jahr 2000 die Anfrage bekommen habe, ob ich die Bundeszentrale für politische Bildung leiten möchte, dachte ich mir: da kann ich jetzt mit einer Institution arbeiten, in der 180 Leute arbeiten, wo man Bücher publizieren, Websites gestalten, sich an Lernprozessen beteiligen oder Schulmaterial entwickeln kann für die demokratische politische Bildung.


Was bewegt Sie wirklich, jeden Morgen aufzustehen und motiviert zur Arbeit zu gehen?
Die Arbeit in der bpb ist total vielfältig. Du kannst dir jeden Tag neue Themen überlegen und sie gemeinsam mit Leuten entwickeln. Man hat mit Fernsehmachern zu tun, mit YouTubern. Die Motivation ist für mich: Es soll nie wieder so sein wie in der DDR. Nicht uniform, nicht so, dass mir irgendjemand sagt, wie ich zu leben habe. Dass ich selber eine Entscheidung treffen kann: Wie? Mit wem? Und wofür? Und das soll jeder, der in diesem Land lebt, auch haben. Das versuchen wir ein bisschen als Leitlinie für unsere Arbeit zu definieren. Wir möchten eine lebendige, demokratische, zivile Gesellschaft unterstützen.


 

Interessieren sich Ihre Kinder für Ihre Arbeit? Lesen sie die Zeitschrift der bpb fluter?
Nein, die gucken die YouTuber.


Sie arbeiten auch mit YouTubern. Warum?

Für bestimmte Vorhaben, wie dem Thema Rechtsextremismus, überlegen wir, auf welchem Weg wir junge Leute überhaupt erreichen. Für uns ist vor allem die Altersgruppe der 14- bis 20- Jährigen wichtig. Denn da multipliziert sich das Thema Fremdenfeindlichkeit – innerhalb und außerhalb der Schule. Deshalb haben wir überlegt, wie wir am besten an diese Altersgruppe herankommen. Da gucke ich natürlich meinen Jungs über die Schulter, was sie den ganzen Nachmittag machen. Webvideos sind bei ihnen total angesagt. Und sie haben natürlich auch ihre Stars.


Welche denn?
Die Gesellschaft ist ganz bunt in Deutschland. Es gibt die russischsprachige Community, z.B. die Außenseiter, die Afrodeutsche Community, wie albertoson, oder andere wie LeFloid, Simon Defue, usw. Es gibt auch Blumio, ein Düsseldorfer Rapper mit asiatischen Wurzeln. Er hat einen ziemlich coolen Song gemacht „Hey Mr. Nazi“. Er wurde 13 Millionen Mal angeklickt. Er geht ungefähr so: Hey Mr. Nazi, komm auf meine Party, dann siehst du, dass wir ziemlich relaxed leben und du hast eigentlich gar keinen Grund fremdenfeindlich zu sein.


Stellen Sie auch Videos auf YouTube?
Es gab einen Webvideopreis, wir luden die anderen YouTuber ein, ihre Version des Songs „Hey Mr. Nazi“, zu produzieren. Daran haben sich ungefähr 300 Leute beteiligt. Jeder hat dabei seinen eigenen Stil entwickelt. Wir haben Werkzeuge, also Tools, bereitgestellt, um die eigene Variante des Songs aufzunehmen. Wir haben dann alle zwei, drei Tage ein Video frei geschaltet. Es gab 75.000 Kommentare und es ist genauso oft über Facebook gelaufen. Innerhalb von drei bis fünf Wochen hatten wir vier Millionen Klicks. Wir haben auch die Communitys gefragt, ob sie ihre Remixe selber produzieren wollen. Die Wettbewerbsteilnehmer konnten mit den Stars reden, Shakehands und Selfies machen. Was natürlich eine Motivation für viele war, mitzumachen. Politische Bildung online vermitteln statt dicke Bücher zu machen, glaubwürdig sein, das ist der entscheidende Punkt.

 


Deutsches Kinderhilfswerk


Was machen Sie als Leiter des Deutschen Kinderhilfswerks?
Im Deutschen Kinderhilfswerk bin ich ehrenamtlich, dafür werde ich nicht bezahlt. Das ist ein Verein, der sich für die Durchsetzung der Kinderrechte einsetzt. Dort bin ich schon seit 1995 Präsident. Wir versuchen, eine starke Öffentlichkeitsarbeit zu machen.

Es gibt zum Beispiel sechseckige Spendendosen, die in Läden an der Kasse stehen. Da sammeln wir tonnenweise Cents, weil es rund 80.000 Büchsen in der Bundesrepublik gibt. Es gibt Lkw, die diese Büchsen einsammeln und Maschinen, die alles auszählen. Danach wird das Geld zur Bank gebracht.

 

Wieviel Euro ergibt es dann?
Wir nehmen dadurch 1,5 Millionen Euro im Jahr ein. Diese fließen direkt in Projekte der Kinderkulturarbeit und der Kindermedienarbeit ein. Und natürlich auch in öffentliche Kampagnen, die sich mit dem Thema Kinderrechte beschäftigen. Das Kinderhilfswerk ist ein toller Verein. Wenn es das nicht geben würde, müsste man es erfinden! Wir arbeiten zusammen mit Entwicklungshilfeprojekten, mit internationalen Einrichtungen wie Terre des hommes. Am engsten arbeiten wir mit UNICEF zusammen.


Haben Sie noch andere Vorhaben im Kinderhilfswerk geplant, die hilfreich für Kinder wären?
Ja, wir realisieren eine große Kampagne zum Thema Kinderrechte. Die Kinderrechte, die die Vereinten Nationen verabschiedet haben, sind Schutzrechte wie Recht auf Bildung, Recht auf Unversehrtheit. Wir wollen, dass sie auch in das Grundgesetz aufgenommen werden. In der deutschen Verfassung gibt es nämlich keine Kinderrechte. Wir sagen: „Ihr habt die Tierrechte in das Grundgesetz geschrieben, wieso sind die Kinderrechte eigentlich nicht drin? “

 

 

Mehr über die Jugend und die Reisen von Thomas Krüger zur Zeit der DDR >>>

 

 

 


Interview: Clara, Emmanuelle, Gaïa und Leopold (Schülerredaktion Böser Wolf)

Zeichnungen: Alica, Gaïa C. und Gaïa M. (Schülerredaktion Böser Wolf )

Foto: Grand méchant loup

© Grand méchant loup | Böser Wolf | Mai 2015

 

 

 

Da gucke ich natürlich meinen Jungs über die Schulter...

 

Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks und der Bundeszentrale für politische Bildung, erzählt den jungen Reportern des Bösen Wolfs, warum er jeden Morgen super motiviert zur Arbeit geht.

 

 

 

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Das Deutsche Kinderhilfswerk