In einer Familie gibt es auch Regeln...

  

Christine Hohmann-Dennhardt, Vorstandsmitglied der Daimler AG

 im Gespräch mit den Schülerreportern des Bösen Wolfes (Teil 2)

 

Christine Hohmann-Dennhard ist Juristin. Das heißt, sie kennt sich sehr gut mit Gesetzen und Regeln aus.  Genau damit hat ihre Arbeit bei Daimler zu tun. Hier kannst du den zweiten Teil des Interviews lesen, das die Bösen Wölfe mit ihr geführt haben.

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Eine Juristin im Daimler-Vorstand

Sie sind Richterin und Politikerin, das hat für uns mit einem Auto-Unternehmen gar nichts zu tun. Welche Erfahrungen haben Sie in Ihre jetzige Tätigkeit mitgebracht?

Richter und Politiker sind Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Erfahrungen. Ich habe natürlich meine Rechtskenntnisse mitgebracht, die sich im Laufe meines beruflichen Lebens immer mehr erweitert haben. Als Wissenschaftsministerin bin ich mit Naturwissenschaften in Verbindung gekommen, Ingenieure und Naturwissenschaftler erzählten mir von ihren Forschungsergebnissen und darüber, was sie antreibt. Das fand ich spannend, deshalb bin ich auch über zehn Jahre im Hochschulrat der Universität Karlsruhe gewesen. Dort habe ich im Übrigen Dieter Zetsche kennen gelernt.


Trotzdem ist es schwierig, sich eine Richterin im Vorstand von Daimler vorzustellen.

Als Verfassungsrichterin ist man zwar zuständig für einen Bereich, bei mir war es das Familienrecht und das Jugendrecht, aber man ist natürlich auch verantwortlich für all das, was in dem Senat, zu dem man gehört, entschieden wird. Die Themen gehen quer durch den rechtlichen Gemüsegarten. Wenn man da mitreden will, muss man sich mit den Dingen beschäftigen, auch wenn es nicht um die eigene Sache geht. Es ist wichtig, an allem Interesse zu haben.

Aber Daimler ist anders, es ist ein Riesenunternehmen...

Ich hatte bis jetzt nicht mit 270.000 Mitarbeitern zu tun wie hier bei Daimler, aber es gab in einigen Ministerien auch bis zu 60.000 Beschäftigte. Die Erfahrung mit größeren Organisationen brachte ich also mit. Ebenso wusste ich, wie man Menschen von etwas überzeugen und sie mitnehmen kann, damit sie Spaß haben, etwas zu bewegen. Das alles ist ganz gut als Reisegepäck.

Sie sind für einen Bereich zuständig, "Recht, Compliance und Integrität", ein komplizierter Begriff, was heißt z.B. Compliance?

Compliance ist ein amerikanischer Begriff, der in Europa und damit auch in Deutschland übernommen wurde. Er bedeutet, darauf zu achten, dass Regelverstöße nicht passieren. Regelverstöße kann es zum Beispiel gegen die Gesetze in Frankreich, in Deutschland oder auf EU-Ebene geben. Diese Gesetze muss man nicht nur beachten, man muss auch den Mitarbeitern vermitteln, dass sie diese in ihrer täglichen Arbeit berücksichtigen, und ihnen zeigen, wo Risiken sind.

Schaffen Sie dann wieder neue Regeln?
Nein, wenn man zu viele Regeln schafft, gibt es den Effekt, dass man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht. Deshalb haben wir klare Linien gezogen, damit die Leute sagen können: „Ich weiß, wo es lang geht, ich kann mich innerhalb dieser Regeln wie in Haltegurten sicher bewegen, habe aber dadurch auch Freiräume“. Darüber muss man in einem Unternehmen reden, das ist meine Aufgabe.

Wie machen Sie das?
Wir machen Veranstaltungen, Workshops und Schulungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spiegeln uns zurück, dass sie danach ein Bedürfnis haben und dass ihnen die Veranstaltungen Spaß machen.

Dass Regeln mit Spaß zu tun haben, können wir uns nicht vorstellen.
Wenn man Regeln nur so begreift, dass etwas verboten ist, fühlt man sich schnell erdrückt. So einen Eindruck kann man zum Beispiel gewinnen, wenn es zu viele Regeln gibt. Aber Regeln sind etwas ganz Sinnvolles und Nützliches. Es gibt sie überall, ob sie geschrieben sind oder nicht. Überlegt mal, in einer Familie gibt es auch Regeln, die nicht festgehalten sind. Da steht nicht „Paragraph eins“, und doch geht man nach Regeln vor und lässt sich von Regeln leiten: Wie man miteinander umgeht, was man glaubt, jemandem zumuten zu können oder was völlig falsch ist.

Was hat es mit einem Unternehmen zu tun?
Solche Regeln des Miteinanders, wie es sie in der Familie gibt, muss man auch in einem Unternehmen schaffen. Man muss darüber reden, was die wichtigsten Regeln sind, an die sich alle halten wollen. Wenn man solche Regeln hat, ist es ermutigend, denn man bekommt durch sie den Rücken gestärkt und weiß, wenn ich danach handle, bin ich nicht allein, sondern die anderen machen mit. Das ist durchaus etwas, was Vergnügen bereiten kann.

 


Über Autos

Gibt es eine Zusammenarbeit mit Autokonzernen auf europäischer oder Weltebene?
Es gibt viele Kooperationen in Europa. Mit Renault-Nissan in Frankreich kooperieren wir und haben im Rahmen dieser Zusammenarbeit zum Beispiel einen Stadtlieferwagen - den Mercedes-Benz Citan - entwickelt. Es gibt auch Kooperationen mit Partnern in Russland und China bei den großen Lkws, die Daimler auch baut.

Wo sehen Sie die Produktion von Daimler-Autos in der Zukunft? Ist es in Europa weiterhin möglich?
Der Standort Deutschland ist und bleibt das Herz unserer Produktion. Aber wir wissen, dass die Märkte in Europa, in denen es schon recht viele Autos gibt, nicht so stark wachsen wie in anderen Teilen der Welt, wie z.B. in China. Natürlich will man sich dort die Märkte erschließen und auch Autos verkaufen. Und wenn man in einem anderen Markt Autos verkauft, macht es oft auch Sinn, sie dort zu bauen.

Haben Autos, die mit Benzin fahren, überhaupt eine Zukunft?

Wird es irgendwann nur noch Elektroautos geben?
Man sollte sich nicht nur für eine einzige Richtung entscheiden und sagen, das ist die Lösung. Vielmehr sollte man in allen Bereichen versuchen, so energiesparend wie möglich zu arbeiten. Deshalb ist es wichtig, Diesel oder Benzinmotoren noch verbrauchsärmer zu machen. Inzwischen haben wir Verbrauchswerte, von denen man vor einigen Jahren noch geträumt hat. Der Elektromotor ist ebenfalls ein Modell, das einen alternativen Antrieb bietet, er ist sehr gut für kürzere Entfernungen, zum Beispiel in der Stadt, geeignet. Deshalb werden auch „Kombimodelle“ gebaut, bei denen man einen Motor hat und mit Elektrizität fahren kann. Wenn man längere Distanzen fahren will, kann man beides nutzen. Diese Entwicklungen treiben wir voran. Ein dritter Punkt, an dem wir arbeiten, ist die Brennstoffzelle. Brennstoffzellen erzeugen aus der chemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff Strom. Es ist also spannend, was sich da tut und entwickelt.

Wird es irgendwann nur noch Elektroautos geben?
Der Elektromotor ist sehr gut für kürzere Entfernungen, zum Beispiel in der Stadt, geeignet. Deshalb werden auch „Kombimodelle“ gebaut, bei denen man einen Motor hat und mit Elektrizität fahren kann. Wenn man längere Distanzen fahren will, kann man beides nutzen. Diese Entwicklungen treiben wir voran.


Wie kann man Autokäufer überzeugen, Elektroautos zu kaufen?
Für die Elektroautos haben wir noch nicht überall entsprechende „Tankstellen“. Wenn man eine Garage mit einer Steckdose hat, dann kann man dort aufladen. Wenn man aber in der Stadt wohnt und nach der Parklücke sucht, dann wird es schwierig: Man kann ja nicht die große Batterie mitnehmen und in der Wohnung auftanken. Einige Probleme müssen also noch gelöst werden, bis hin zu finanziellen – die Batterien werden geleast, denn die Produktion ist noch relativ teuer. Der Preis für die Batterien hängt wiederum von den Mengen der Autos ab, die von Kunden gekauft werden. Werden mehr verkauft, wird das Produkt günstiger.


Um den ersten Teil des Interviews zu lesen, klicke hier >>>

 

Interview: Alina, Anastasia & David

Zeichnungen: Alina, Clara & Coralie

Text und Fotos: © Grand méchant loup | Böser Wolf

Februar 2012

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