Mein Besuch bei der Sportzeitung L'EQUIPE
Ein Interview mit dem Sportjournalisten Jean-Pierre Bidet
Jean-Pierre Bidet ist Journalist der Radport-Redaktion von L'EQUIPE, der einzigen französischen Sporttageszeitung. Sie besteht bereits seit 1946! In Italien gibt es die „Gazetta dello sport“ und den „Correro dello sport“ und in Spanien gibt es „Marca“ und „AS“, dies sind täglich erscheinende Sportzeitungen. In Deutschland gibt es keine.
Hier kannst du Spannendes über folgende Themen lesen:
1. Die Arbeit der Journalisten bei der L'EQUIPE >>>
3. Die Sportreporter und die Tour de France >>>
1. Die Arbeit der Journalisten bei der L'EQUIPE
Wann wollten Sie Journalist werden?
Ich weiß nicht mehr! Eigentlich hatte ich mehrere Leidenschaften und mit dieser hat es sofort geklappt. Natürlich erinnere ich mich an die Olympischen Spiele 1972 in München, ich war damals 6 Jahre alt. Aber die wahren Erinnerungen, das sind die Spiele von Montreal, also 1976. Außerdem gefiel es mir zu schreiben, ich hatte damit in der Schule keine Probleme, es lag also nah!
Und erinnern Sie sich an Ihren ersten Artikel?
Ja, daran erinnere ich mich. Es gab eine Rubrik über Triathlon, eine kleine Sportart, die gerade ein wenig aufstieg und die niemand verfolgte. Der erste Radsport-Artikel, den ich gemacht habe, war eine Darstellung eines belgischen Rennens, das sich Het Volk nennt, ein belgischer Klassiker. Und bereits im ersten Jahr habe ich die Tour de France begleitet, ich war seit einem Monat da und habe Mailand-San Remo gemacht. Auf ging’s!
Was machen Sie bei der L'EQUIPE?
Ich bin stellvertretender Chef vom Dienst. Ich bin hier so etwas wie der „Kapitän“. Es gibt ein Heer von Leuten vor Ort und hier werden sie angeleitet, man hilft ihnen, hier ist die Regie. Das ist also meine Rolle.
Verfolgen Sie ab und zu auch direkt die Rennen?
Nicht mehr sehr viel. Ich habe das acht Jahre lang gemacht, eine Reporterarbeit wie die meisten Leute sie hier machen. Seit zwei Jahren bin ich nicht mehr auf dem Gebiet tätig, aber dafür kann ich zum Beispiel Reportagen über punktuelle Themen machen, irgendwo einen Radrennfahrer besuchen, um ein Interview zu machen, und wenn man mal eine Person mehr für ein Rennen braucht, kann ich dort hingehen und folgen.
Ich habe mir einige Exemplare der L'EQUIPE angeschaut, aber ich habe nie Ihren Namen bei den Reportagen gefunden.
So ist das! Seit zwei Jahren beschäftige ich mich nur noch mit Doping. Eigentlich haben wir das seit etwa zehn Jahren eingeführt, glaube ich: Es gibt einen Menschen in der Zeitung, der sich um Doping kümmert, das ist seine Aufgabe. Zum Beispiel habe ich 2007 den Prozess Cofidis verfolgt, das war ein Dopingfall in einer französischen Mannschaft.
Haben Sie bekannte Rennfahrer kennengelernt?
Ich habe Lance Armstrong bei sechs von sieben Tours de France begleitet, die er gewonnen hat. Ich hatte eine gute, privilegierte Beziehung zu ihm, so dass ich sehr nah an ihn herankam, mit ihm sprechen, mich mit ihm treffen konnte. Also habe ich meine Arbeit sechsJahre lang gemacht, indem ich in Anführungszeichen « angenehme » Dinge über ihn schrieb, wenn es angebracht war, weniger angenehme Dinge, wenn es ebenfalls angebracht war. Und dann haben wir im August 2005 diese Riesen-Sensation über ihn und Doping rausgebracht. Dann habe ich nicht gerade nette Sachen über Lance Amstrong geschrieben. Man muss den Abstand zu den Sportlern behalten. Bei der L'EQIPUE versucht man, sich nichts zu verbieten. Übrigens verbietet man sich auch nichts!
Gibt es Journalisten der L'EQUIPE, die wegen der Dopinggeschichte gegangen sind?
Eigentlich ist Doping keine neue Sache. Doping gibt es schon immer, es ist nicht vor zehn Jahren im Sport aufgetaucht, einfach so, durch ein Wunder. Vorher wusste man in der Tat, dass es Doping gibt, aber in der Presse darf man keine Dinge schreiben, ohne sie zu beweisen, sonst muss man vor Gericht. Von dem Moment an, wo Leute darüber geredet haben, wo die Polizei da war, wo es konkrete Untersuchungen gab, wurde man sich der Tragweite bewusst. Es ist wahr, dass man im Radsport seit zehn Jahren vom diesem Thema nie wirklich abgekommen ist. Jetzt ist Doping ein Teil der Aktualität, den man thematisieren muss, genauso wie das Rennen und die Rennfahrer.
Ist es nicht langweilig, die ganze Zeit über Doping zu schreiben?
Ich würde sagen, jedes Mal, wenn man etwas aufdeckt, dann ist das ein Betrüger weniger, das ist doch eine positive Nachricht. Für uns gibt es keine glückliche Aktualität und unglückliche Aktualität. Doping findet man im Sport, Doping findet man im Radsport, das ist eine Aktualität, die man behandeln muss, das ist alles. Natürlich würden wir lieber über die Heldentaten der Sportler sprechen und keinen Zweifel über ihre großen Siege und solche Dinge haben. Aber das ist halt ein Tatbestand, und als solchen behandeln wir ihn.
Gibt es vor allem im Radsport Doping?
Doping ist Teil des Sports, egal ob Rad oder eine andere Sportart. Der einzige Unterschied ist, dass der Radsport eine ältere und stärkere Tradition hat. Im Gegensatz zu anderen Sportarten findet man Doping im Radsport nur, weil man es dort sucht. Ich sage nicht, dass man in anderen Sportarten nicht sucht, aber man sucht sicher weniger und weniger gut.
3. Die Sportreporter und die Tour de France
Wie viele Journalisten arbeiten in dem Bereich Radsport?
Es gibt etwa zehn Journalisten, die den Radsport das ganze Jahr über verfolgen, sogar während des Winters. Außerdem haben wir zwei Chauffeure, da wir die Rennen im Auto verfolgen. Also sind wir immer zwölf.
Und ich habe auch gesehen, dass ein Motorrad dabei ist?
Eigentlich sind die Motorräder nicht für die Journalisten
gedacht, die schreiben, sondern für die Fotografen.
Dürfen Sie eine andere Strecke für die Tour de France oder die Italientour vorschlagen?
Nein. Wir können Dinge kritisieren, wenn es Entscheidungen gibt, die uns gegen den Sport und die Gesundheit der Radfahrer zu gehen scheinen oder Sicherheitsprobleme, solche Dinge, aber wir haben nicht das Recht zu sagen: «Wenn ich der Organisator der Italientour wäre, würde ich eher da lang fahren, würde ich das machen!» Nein, das ist nicht unsere Arbeit.
Was passiert, wenn ein Journalist während eines großen Rennens krank ist oder einfach keine Lust hat?
Wenn er krank ist, kuriert er sich aus, er geht zu sich nach Hause. Ich glaube, man muss ein bisschen von dem Mythos des Journalisten loskommen, der die schönste Arbeit der Welt macht, für den es jeden Tag ein großes Fest ist mit Glück und Abenteuer. Wenn man die Tour de France mitmacht, bricht man eine Woche vor Beginn auf, dann macht man 3 Wochen Rennen, das heißt, dass man drei Wochen lang Tausende von Kilometern zurücklegt, man geht spät schlafen, man steht früh auf...
Schlafen Sie nicht im Zelt?
Nein, das nun auch wieder nicht, wir haben das Glück, hier in der Gruppe sehr gute Arbeitsbedingungen zu haben, aber es ist trotzdem ziemlich hart. Man ist körperlich oft erschöpft, manchmal ist man auch etwas müde vom Rennen, von der Aktualität, die nicht immer entweder sehr glücklich oder aufregend ist. Leider muss man die Zeitung jeden Tag füllen. Aber wir reißen uns zusammen und fangen wieder von neuem an. Auf zum nächsten Kampf!
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Ich habe das Interview mit Jean-Pierre geführt, dann wurde es Zeit, zur Redaktionskonferenz zu gehen. Er stellte den Teil über Radsport vor und es gab andere für andere Bereiche (zum Beispiel Rugby, Fußball, etc.). Dann habe ich Jean-Pierre Bidet einige Zeichnungen der Tour de France gezeigt, die er gut fand. Auf alle Fälle hat mir dieser Besuch viel Spaß gemacht, er entsprach meinen Vorstellungen und die Sportreporter (vor allem Jean-Pierre) waren sehr sympathisch. Nach diesem Besuch ist mein Traum, Sportreporter bei der L'EQUIPE zu werden, noch größer.
Interview: David
© Grand méchant loup, www.boeser-wolf.schule.de